Antisemitismus vorbeugen und bekämpfen
In Europa beobachten wir eine Zunahme antisemitischer Tendenzen. Das zeigt auch die Studie der europäischen Agentur für Grundrechte zu „Erfahrungen und Wahrnehmungen im Zusammenhang mit Antisemitismus, Zweite Erhebung zu Diskriminierung und Hasskriminalität gegenüber Jüdinnen und Juden in der EU“. Seit Ausbruch der Covid-19 Pandemie wird darüber hinaus insbesondere online (Hass im Netz) ein Anstieg von Antisemitismus verzeichnet.
Die Europäische Kommission reagierte darauf im Oktober 2021 mit der erstmaligen Vorlage einer EU-Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens. Dabei geht es vor allem um die Verhütung und Bekämpfung aller Formen von Antisemitismus, den Schutz und die Förderung jüdischen Lebens in der EU sowie um Aufklärung, Forschung und das Gedenken an den Holocaust. In Österreich wurde - ebenfalls 2021 - eine nationale Strategie gegen Antisemitismus festgeschrieben.
Schützt das Gleichbehandlungsgesetz bei antisemitischen Benachteiligungen und Beschimpfungen?
Ja, das Gleichbehandlungsgesetz verbietet seit 2004 Diskriminierung aufgrund der Religion und der ethnischen Zugehörigkeit. Der Schutz vor Diskriminierung nach dem Gleichbehandlungsgesetz gilt in der gesamten privatwirtschaftlichen Arbeitswelt. Rassistische Diskriminierung ist darüber hinaus in weiteren Lebensbereichen verboten, wie zum Beispiel beim Wohnen, in der Schule oder bei Freizeiteinrichtungen.
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft fordert schon seit langem eine Ausweitung des Diskriminierungsverbotes, sodass in allen Bereichen des Gleichbehandlungsgesetzes unter anderem auch Schutz vor Diskriminierung aufgrund der Religion besteht. Auch die Europäische Kommission empfiehlt eine Ausweitung des Mandates auf alle Diskriminierungsgründe außerhalb der Arbeitswelt. Ende September werden dafür Richtlinienentwürfe vorgelegt werden.
Katharina von Schnurbein, Antisemitismusbeauftragte der Europäischen Kommission, betont in dem von Equinet, dem europäischen Netzwerk der Gleichbehandlungsstellen, organisierten Workshop „Equality Bodies Combating Antisemitism“ die Wichtigkeit, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Antirassismus und Antisemitismus wahrzunehmen. Auch wenn es viele Überschneidungen gibt, ist es äußerst wichtig die Spezifität von Antisemitismus zu erkennen, um diesen erfolgreich zu bekämpfen.
Wie kann die Gleichbehandlungsanwaltschaft unterstützen?
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft berät vertraulich und kostenfrei. Wir prüfen – an Hand eines intersektionellen Ansatzes – in einem ersten Schritt, ob ein antisemitischer Vorfall vom Gleichbehandlungsgesetz umfasst ist. Bei unserer Beratung bieten wir eine rechtliche Einschätzung. Vermuten wir einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot, besprechen wir gemeinsam mit den Menschen, die sich an uns wenden, welche Vorgangsweise am besten passt und welche rechtlichen Schritte sinnvoll sind. Alles wird vertraulich behandelt. Es entstehen keine Kosten.
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft orientiert sich dabei an der Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), wonach „Antisemitismus eine bestimmte Wahrnehmung von Juden und Jüdinnen ist, die sich als Hass gegenüber Juden und Jüdinnen ausdrücken kann. Antisemitismus richtet sich in Wort und Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen und religiöse Einrichtungen.“
Geringe Anzahl an Meldungen antisemitischer Vorfälle - hohe Dunkelziffer
Die relativ geringe Zahl an Meldungen antisemitischer Diskriminierung spiegelt keinesfalls die tatsächlichen Vorkommnisse wieder. Vielmehr ist von einem Under-Reporting auszugehen, wie auch die eingangs bereits erwähnte Studie der Agentur für Grundrechte zeigt, wonach 80% der Befragten, die in den letzten zwölf Monaten antisemitische Diskriminierung erlebten, den Vorfall keiner Organisation meldeten. Die Hälfte davon gab als Grund für die Nicht-Meldung an, sie wären davon ausgegangen, es würde sich nichts ändern.
Auch dann, wenn antisemitische Vorfälle nicht vom Schutz des Gleichbehandlungsgesetzes umfasst sind – wie zum Beispiel strafrechtlich relevante Taten oder Hass im Netz, können diese bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft gemeldet werden. Eine Meldung kann von Betroffenen selbst oder von Zeug:innen – auch anonym – ganz einfach über unser Melde- und Kontaktformular erfolgen. Wir dokumentieren jeden Vorfall. Alle zwei Jahre zeigen wir in unserem Bericht an das Parlament die gemeldeten Fälle anonymisiert auf und machen so darauf aufmerksam, in welchen Lebensbereichen
Diskriminierung vorkommt, in welcher Häufigkeit Ungleichbehandlung erlebt wird und welche (rechtlichen) Verbesserungen beim Schutz vor Diskriminierung notwendig sind.
Auch wenn keine weiteren rechtlichen Schritte gewünscht sind, ist zumindest eine Meldung des antisemitischen Vorfalls wichtig und ein guter Beitrag, um Antisemitismus aufzuzeigen.