Wir verwenden technisch erforderliche Cookies zur Sitzungssteuerung. Erfahren Sie mehr. Durch Fortfahren auf unserer Website stimmen Sie dieser Verwendung zu.

Sensible Fragen im Bewerbungsgespräch: GAW sorgt für rechtliche Aufklärung Fall des Monats Februar 2024

Vorfall: Fragen nach dem Hidschāb bei Bewerbungsgespräch

Frau O bewirbt sich auf eine Stelle als Kindergartenhelferin. Aufgrund ihrer hervorragenden Eignung wird sie nach kurzer Zeit zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen.

Das Bewerbungsgespräch wird von einer Angestellten des Kindergartens, Frau M, durchgeführt. Nachdem einige Freundlichkeiten ausgetauscht wurden, merkt Frau M an, dass Frau O sehr gut Deutsch spreche – „wie eine Österreicherin“. Frau O klärt Frau M daher darüber auf, dass dies nicht verwunderlich sei, da sie in Österreich geboren und aufgewachsen ist. Da die Beiden unterschiedliche Vorstellungen bezüglich der Arbeitsbedingungen haben, wird bald klar, dass Frau O die Stelle nicht annehmen wird. Dennoch spricht Frau M sie am Ende des Gesprächs noch auf ihren Hidschāb1 an. Sie fragt, ob Frau O ihr Kopftuch auch in der Arbeit tragen würde. Frau O bejaht das und sagt, dass sie nicht bereit wäre, ihn während der Arbeitszeiten abzulegen. Daraufhin versucht Frau M zu erklären, dass der Kindergarten zwar Diversität und Akzeptanz lebe, das Tragen eines Kopftuchs aber der im Betrieb gewünschten Neutralität widerspreche. Anschließend drückt sie ihr Bedauern aus, dass man sich bezüglich der Arbeitsbedingungen nicht einigen konnte, denn sie hätte Frau O gerne besser kennengelernt.

Da das Bewerbungsgespräch für Frau O sehr unangenehm war und sie bereits mehrmals ähnliche Erfahrungen machen musste, beschließt sie, sich mit der Bitte um Beratung an die Gleichbehandlungsanwaltschaft zu wenden. 

Rechtliche Hintergründe

Diskriminierung aufgrund der Religion, des Geschlechts und der ethnischen Zugehörigkeit

Das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) verbietet unter anderem Diskriminierungen aufgrund der Religion, des Geschlechts und der ethnischen Zugehörigkeit in der Arbeitswelt, zum Beispiel in Bewerbungsverfahren und bei der Aufnahme in ein Arbeitsverhältnis (§§ 3, 17 GlBG). Als Diskriminierung ist jede Benachteiligung zu verstehen, die im Zusammenhang mit den geschützten Merkmalen steht. Das Tragen eines religiösen Symbols oder Kleidungsstücks wie dem muslimischen Kopftuch (Hidschāb) gilt als Ausdruck einer bestimmten religiösen Zugehörigkeit. Zudem ist es meist Ausdruck einer weiblichen Geschlechtsidentität und kann Ausdruck einer kulturellen oder ethnischen Identität sein. Benachteiligungen aufgrund des Tragens eines Hidschāb stellen daher Diskriminierungen im Sinne des GlBG dar.

Als Rechtsfolge einer Diskriminierung sind nach dem GlBG Schadenersatzansprüche vorgesehen. Wird eine Bewerbung wegen eines Hidschāb nicht weiter berücksichtigt, ist eine Entschädigung von 500.- vorgesehen (§§ 12 Abs 1 Z 1 und 26 Abs 1 Z 1 GlBG). War die Bewerberin sogar die Bestqualifizierte, hat sie Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von mindestens zwei Monatsgehältern sowie einer Entschädigung für die Würdeverletzung (§§ 12 Abs 1 Z 2 und 26 Abs 1 Z 2 GlBG). Diskriminierungen können bei der Gleichbehandlungskommission oder auf dem Gerichtsweg geprüft werden. 

Erfolgreiche Aufklärung über geltendes Recht

Frau O wird von einer Gleichbehandlungsanwältin über ihre rechtlichen Möglichkeiten informiert. Während des Beratungsgesprächs hält Frau O fest, dass es ihr nicht um Schadenersatz geht. Ihr Ziel sei es, mit Hilfe der GAW Frau M über das GlBG aufzuklären. Die Gleichbehandlungsanwältin verfasst daraufhin ein Interventionsschreiben.

Nach dem Erhalt des Schreibens meldet Frau M sich telefonisch bei der Gleichbehandlungsanwältin, um Stellung zu nehmen. Sie ist sehr betroffen und erklärt, dass sie nicht beabsichtigt hatte, Frau O zu verletzen. Allerdings sagt sie in diesem Zuge auch, dass der Kindergarten regelmäßig mit den Kindern katholische Messen besuche, und die Feste des christlichen Jahreskreises feiere. Zudem erzählt sie, dass es im Kindergarten muslimische Betreuerinnen gäbe, von denen manche ihren Hidschāb während der Arbeit ablegen, andere ihn tragen würden.

Die Gleichbehandlungsanwältin klärt Frau M daraufhin über die Rechtslage auf. Zwar sind unter sehr strengen Voraussetzungen Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot möglich. Im vorliegenden Fall liegt eine solche jedoch offensichtlich nicht vor. Ein Neutralitätsgebot müsste sämtliche Religionen und Weltanschauungen umfassen und strengen Kriterien entsprechen. Frau M entschuldigt sich für ihr Verhalten und bedankt sich für die rechtliche Aufklärung. 

Fazit

Die Geschichte Frau Os ist leider kein Einzelfall. Das spiegelt sich stark in den Zahlen der GAW wider:

  • Jede 5. Frau (20%), die sich bei uns bezüglich einer Begründungsdiskriminierung (Bewerbung für einen Arbeitsplatz) beraten hat lassen, wurde wegen ihres Hidschāb diskriminiert.
  • Fast die Hälfte (48,6%) der Diskriminierungsfälle aufgrund der Religion betrafen Diskriminierungen aufgrund eines Hidschāb oder Burkinis.

Aufgrund aktueller geopolitischer Ereignisse ist anzunehmen, dass unsere Zahlen in den nächsten Monaten steigen werden. Die Dokumentations- und Beratungsstelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus etwa verzeichnet seit Oktober 2023 einen besorgniserregenden Anstieg von Meldungen. 

Des Weiteren ist festzuhalten, dass Diskriminierungen, Übergriffe und Bedrohungen sich nicht nur auf die unmittelbar betroffenen Personen auswirken, sondern auf vielfältige Weise auch einen Einfluss auf das alltägliche Leben muslimischer Menschen und Gemeinschaften haben. Diese können den Eindruck gewinnen, dass es besser beziehungsweise sicherer sei, sich in der Öffentlichkeit nicht als Muslim:in zu zeigen, keine religiöse oder traditionelle Kleidung zu tragen, keine religiösen oder kulturellen Veranstaltungen zu besuchen oder sich nicht für öffentliche Ämter zu bewerben. Das gleicht einer Art Selbstzensur aus Angst vor Stigmatisierung und Angriffen.2 

Die GAW fordert daher einen umfassenden nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, mit dem sich sämtliche staatliche Akteur:innen verpflichten, wirksame und nachhaltige Maßnahmen im Kampf gegen jegliche Form von Rassismus in ihren Bereichen zu entwickeln und umzusetzen.

 

1 Hidschāb (engl. hijab) bezeichnet die Bedeckung von Kopf und Körper gemäß islamischer Glaubenspraxis, zum Beispiel in Form eines Kopftuchs.

2 ODIHR: Responses to Anti-Muslim Hate Crimes | OSCE

Info

Wenn Sie mehr über das Thema Antimuslimischer Rassismus erfahren wollen, empfehlen wir Ihnen unseren Blogbeitrag zu diesem Thema.