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Zum Badesee auch im Burkini : Erfolgreiche Intervention der GAW. Fall des Monats August 2020

Vorfall und Intervention durch die Gleichbehandlungsanwaltschaft

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) erhält eine Beschwerde über ein Verbotsschild an einem Badesee, an welchem nur bei Erwerb einer Eintrittskarte gebadet werden darf. Neben Burkas und Verschleierung wird am See auch das Tragen von Burkinis untersagt. Die bildliche Darstellung zeigt eine Niqab (Schleier) tragende Frau, die rot durchgestrichen ist - positioniert unter anderem neben einem Hundeverbot und einem Verbot des Urinierens in den Badeteich. Die Badeordnung enthält den Hinweis, dass die Badeanlage mit üblicher, hygienisch einwandfreier Badekleidung zu benutzen ist.

Burkas und Niqabs sind keine Badebekleidung. Bei Burkinis hingegen handelt es sich um eine Ganzkörperschwimmbekleidung für muslimische Frauen, welche nur Gesicht, Hände und Füße unbedeckt lässt und die Körperkonturen verhüllt.

Die GAW verfasst ein Schreiben an den Betreiber des Badesees, das Verbot mit Sicherheitsbedenken rechtfertigt. Er entscheidet sich dazu, testen zu lassen, ob Burkinis für zu rettende Personen und Retter:innen tatsächlich sicherheitsgefährdend sind. Die Testungen werden durchgeführt, allerdings bezweifeln sowohl GAW als auch der Betrieb selbst deren Wissenschaftlichkeit und Aussagekraft. Im Rahmen der darauffolgenden Gespräche zwischen GAW und Betreiber wird festgehalten, dass, selbst wenn ein Burkini das Sicherheitsrisiko erhöhen sollte, Retter:innen – so wie bei anderen Rettungsmaßnahmen – nach dem Prinzip „Selbstschutz vor Fremdschutz“ entscheiden können, ob sie sich eine Rettung zutrauen. Auch Hygienebedenken von Betreiberseite können ausgeräumt werden. 

Schlussendlich wird ein neues Schild mit Baderegeln ausgearbeitet, welches den Hinweis enthält, dass Rettungsmaßnahmen aus dem Wasser durch das Tragen eines Burkinis erschwert werden können – sowie die Bitte um eigenverantwortliches Agieren. Das Burka-, Verschleierungs- und Burkiniverbot wird aufgehoben und die bildliche Darstellung entfernt.

Hintergründe

Burka, Niqab (Schleier) und Burkini: (rechtlich) nicht dasselbe 

Aus rechtlicher Sicht sind Burka, Niqab und Burkini voneinander abzugrenzen. Seit 2017 gilt in Österreich das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetzwelches verbietet, an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Gebäuden das Gesicht zu verhüllen oder zu verbergen. Es ist daher bereits aufgrund des öffentlichen Rechts verboten, am Badesee eine Burka oder einen Niqab zu tragen. Ein Burkini hingegen verhüllt das Gesicht nicht. 

Der Hinweis, dass eine Badeanlage mit üblicher, hygienisch einwandfreier Badekleidung zu benutzen ist, ist nicht zu beanstanden. Eine Burka oder ein Niqab etwa stellen keine in einer Badeanlage übliche Badekleidung dar. Anders verhält es sich jedoch mit dem Burkini, denn dieses Kleidungsstück ist speziell für Badeaktivitäten vorgesehen und aus entsprechenden Materialien angefertigt. Damit ist es mit anderen Bekleidungsstücken wie Bikini, Badeanzug, Badeshort, Neoprenanzug oder längerer Badekleidung mit UV-Schutz gleichzusetzen – und erfüllt auch die Hygieneanforderungen. Im Jänner 2020 hielt die damalige für Gesundheit zuständige Bundesministerin in ihrer Antwort auf eine  parlamentarische Anfrage fest, dass es keine Evidenz dafür gibt, dass Ganzkörperbadeanzüge hygienetechnisch bedenklich seien.

Burkiniverbot als Diskriminierung

Das GlBG schützt unter anderem vor Benachteiligungen beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Ein Badesee, an welchem nur bei Erwerb einer Eintrittskarte gebadet werden kann, ist eine solche Dienstleistung. Eine Diskriminierung bei Gütern und Dienstleistungen auf Grund der Religion ist vom Geltungsbereich des GlBG allerdings nicht erfasst, womit hier auch kein Schutz besteht. 

Das Gesetz greift im Zusammenhang mit Gütern und Dienstleistungen lediglich bei Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit (§ 31 und § 35 GlBG). Die Ablehnung von Frauen mit Kopftuch oder mit anderen aus religiösen Gründen gewählten Kleidungsstücken – wie einem Burkini – beruht sehr häufig nicht nur in einer Ablehnung des Islam als Religion, sondern auch darauf, dass Muslim:innen von der österreichischen Mehrheitsbevölkerung als fremd wahrgenommen werden und nicht als ein Teil unserer Gesellschaft gesehen werden (wollen). Ein Ausschluss von Personen, die als fremd wahrgenommen werden, weil sie auf Grund bestimmter Unterschiede von der regionalen Mehrheit als nicht zugehörig angesehen werden, stellt eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit dar (siehe Regierungsvorlage zum Merkmal „ethnische Diskriminierung“ RV 307 BlGNR 22.GP 14.). Nach Ansicht der GAW verwirklicht das Verbot des Tragens eines Burkinis in einer Badeanlage damit eine solche Diskriminierung.

Darüber hinaus sieht die GAW beim Burkiniverbot auch eine verbotene Diskriminierung auf Grund des Geschlechts. Der Ausschluss trifft nur muslimische Frauen, die eine von Frauen erwartete geschlechtsstereotype Schwimmbekleidung (Bikini oder Badeanzug) nicht tragen.

Nicht alle Frauen, nicht alle Muslim:innen: „Intersektionalität“

Genau genommen wirken die Diskriminierungsmerkmale „ethnische Zugehörigkeit“ und „Geschlecht“ beim Burkiniverbot im Zusammenspiel. Man spricht von „Intersektionalität“. Im vorliegenden Fall sind weder Frauen per se vom Besuch des Schwimmbades ausgeschlossen, noch Muslim:innen im Allgemeinen. Es werden muslimische Frauen ausgeschlossen, die auf Grund ihrer Religion ihren Körper beim Baden nicht frei zeigen wollen und deshalb fremd wirken. Laut einem Gutachten von Frau Prof.in Holzleithner (Holzleithner, Elisabeth: Bekleidungsvorschriften und Genderperformance, Gutachten für die Gleichbehandlungsanwaltschaft, 21.10.2015.). sollte im Fall einer intersektionellen Diskriminierung das „geschützte Merkmal“ oder die „geschützten Merkmale“ durchschlagen. Entscheidungen der GBK bzw. Judikatur zu intersektioneller Diskriminierung gibt es bis dato noch nicht. Da die GAW bis dato keine Klagsrecht hat, kann auch sie kein Verfahren führen, um hier Rechtssicherheit für die betroffenen und die Verpflichteten herzustellen.

Burkiniverbot außerhalb des Gleichbehandlungsrechts

Das Verwaltungsstrafrecht (Art. III Abs 1 Ziffer 3 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen (EGVG)) verbietet ungerechtfertigte Benachteiligungen allein auf Grund von „Rasse“, Hautfarbe, nationaler oder ethnischer Herkunft, des religiösen Bekenntnisses oder, dass Personen deshalb gehindert werden, Orte zu betreten oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die für den öffentlichen Gebrauch bestimmt sind. Aus Sicht der GAW stellt ein Schild, welches Burkas, Verschleierung und Burkinis untersagt, einen Verstoß gegen diese gesetzliche Regelung dar. Die Geldstrafe beträgt bis zu € 1.090,00. Gemäß § 87 Absatz 1 Gewerbeordnung kann ein Verstoß gegen Artikel III Abs 1 Ziffer 3 EGVG auch zur Entziehung einer Gewerbeberechtigung führen.

Darüber hinaus ist ein Burkiniverbot unter Umständen gleichheitswidrig. So sah das deutsche Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im Burkiniverbot in einer öffentlich-rechtlichen Badeordnung einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12. Juni 2019 - 10 B 10515/19 - KommJur 2020, 91-94.). Das Verbot war erlassen worden, weil „anstoßerregende Krankheiten“ sonst nicht sichtbar seien, Neoprenanzüge waren aber erlaubt. Die sachliche Unterscheidung zwischen diesen beiden Kleidungsstücken war nicht nachvollziehbar.

Fazit

Statt Verbot: Schutz und Ermöglichung gesellschaftlicher Teilhabe 

Nach Ansicht der GAW stellt ein Burkiniverbot in einem kostenpflichtigen Badesee eine intersektionelle Diskriminierung auf Grund des Geschlechts und der ethnischen Zugehörigkeit dar, welche gegen das GlBG verstößt – sowie auch gegen weitere gesetzlichen Normen. Für eine Diskriminierung auf Grund der Religion besteht derzeit kein Schutz im Zusammenhang mit Gütern und Dienstleistungen; die GAW setzt sich für eine entsprechende Schutzerweiterung (Levelling-up) ein. Im „European Network of Equality Bodies (EQUINET)“ haben bereits 32 von 37 Staaten Organisationen mit Mandat für das Diskriminierungsmerkmal „Religion“ außerhalb der Arbeitswelt eingerichtet.

2016 erlangte die GAW aus den Medien erstmals Kenntnis darüber, dass einzelne Freibäder ein Burkiniverbot verhängt haben. Sie verschickte entsprechende Informationsschreiben an die Betreiber:innen. Im hier beschriebenen Beispielfall konnte nach einer Intervention der GAW im Rahmen eines Austausches mit dem Betreiber des Badesees eine neue Badeordnung erarbeitet werden, mit welcher es nun auch Burkiniträgerinnen möglich ist, den Badesee zu besuchen.

Die GAW empfiehlt allen Betreiber_innen von Schwimmbädern etwaige Verbote aufzuheben und in Aushängen klarzustellen, dass Burkinis jedenfalls eine „angemessene Badebekleidung“ darstellen. So ermöglicht man auch Frauen muslimischen Glaubens, unter Einhaltung ihrer religiösen Gebote, an der Freizeitaktivität des Badens oder Schwimmens teilzunehmen.

In den aktuellen fünf wichtigsten Forderungen der GAW wird zudem auch ein Klagsrecht im Sinne eines Verbandsklagerechts gefordert, um diese Rechte effektiv durchsetzen zu können.