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Unfreiwillig geoutet: „Geschlechtsänderung“ im Adressfeld Fall des Monats Juni 2021

Der Vorfall

Frau Z. ist trans*: Bei der Geburt wurde ihr das männliche Geschlecht zugewiesen. Mittlerweile trägt sie ihren weiblichen Namen und hat ihren Geschlechtseintrag geändert. Ihre psychische Verfassung ist noch instabil, denn sie braucht dringend eine Hormontherapie, deren Kosten sie derzeit nicht aufbringen kann. Sie verfügt über eine gute Ausbildung und hat bereits erste Erfahrungen in ihrem Beruf gesammelt. Trotzdem fällt es ihr schwer, wieder in der Arbeitswelt Fuß zu fassen.

Noch vor ihrer Namensänderung nimmt sie daher Kontakt zu einer Arbeitsvermittlung auf. Sie wird über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt und erhält ein Gesprächsprotokoll, das auf ihren damaligen rechtlichen Namen „Herr A.“ ausgestellt ist. Kurze Zeit später ändert sie ihren Namen. Sie informiert die Arbeitsvermittlung und schickt die notwendigen Dokumente. Wieder einige Wochen darauf findet sie ein Schreiben von der Arbeitsvermittlung in einem Fensterkuvert – nicht in ihrem Postfach, sondern abgelegt auf den Briefkästen. Jeder Mensch, der im Haus daran vorbeigeht, kann sehen, was darauf steht: Keine Anrede, ihr neuer Name und die Worte „Namensänd. Geschlechtsänd“.

Frau Z. fühlt sich unfreiwillig geoutet und in einer ohnehin verletzlichen Lebensphase bloßgestellt. Außerdem befürchtet sie, von anderen Personen, die in ihrem Wohnhaus leben, in abwertender Weise auf ihre Geschlechtsangleichung angesprochen zu werden. Deshalb wendet sie sich direkt an die Arbeitsvermittlung und verlangt von einer Mitarbeiterin die Löschung des Adresszusatzes „Namensänd. Geschlechtsänd“ im EDV-System. Statt einer Entschuldigung und der Korrektur des Adresszusatzes im EDV-System wird sie aufgefordert, zu gehen, und erhält danach ein weiteres Schreiben: Wieder mit den Worten „Namensänd. Geschlechtsänd“ in der Adresszeile, dieses Mal ergänzt durch die Anrede „Frau“.

Beratung und Intervention der GAW

Frau Z. fühlt sich mit ihrem Anliegen nicht ernst genommen und vermutet eine transphobe Haltung der Mitarbeiterin. Daher meldet sie sich bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW). Die GAW wendet sich mit einem Interventionsschreiben und der Forderung nach 1.000 Euro Schadenersatz an die Arbeitsvermittlung. Diese bestätigt die Fehler bei den ausgedruckten Schriftstücken. Sie bietet Frau Z. an, die erlittene Beeinträchtigung mit einer Zahlung von 700 Euro auszugleichen.

Das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) sieht einen Mindestschadenersatz von 1.000 Euro für die Würdeverletzung bei einer einmaligen Belästigung vor. Auch für Frau Z. ist das die Untergrenze einer akzeptablen Ersatzleistung, da sie mehrfach Schriftstücke mit diesem Adresszusatz erhalten hat und das belästigend empfand. Die Arbeitsvermittlung willigt schließlich in den Vergleich ein, erkennt an, dass für Frau Z. eine belastende Situation geschaffen wurde und entschuldigt sich dafür. Der Adresszusatz wird in der Datenbank korrigiert. Außerdem wird Frau Z. künftig in einer anderen Zweigstelle und von anderen Mitarbeiter:innen betreut.

Rechtliche Hintergründe

Diskriminierung von trans* Personen stellt eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts nach dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) dar. Der Begriff „Geschlecht“ im GlBG bezieht sich sowohl auf die biologische Geschlechtszugehörigkeit als auch auf das soziale Geschlecht. Das Gesetz bietet Schutz vor Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch in der sonstigen Arbeitswelt – wie in diesem Fall bei der Berufsberatung.

Rechtliche Grundlage für die Anerkennung im eigenen Geschlecht ist das Bundesgesetz über die Regelung des Personenstandswesens (§§ 2, 41 Personenstandsgesetz 2013). Anträge auf Änderung des Geschlechts und des Vornamens im Zentralen Personenstandsregister sind beim zuständigen Standesamt zu stellen. Nach der Wahl eines geschlechtsspezifischen Vornamens stellt das Standesamt eine neue Geburtsurkunde aus, mit der alle weiteren Dokumente beantragt werden können.

Eine geschlechtsangleichende Operation ist seit einem richtungsweisenden Urteil des Verwaltungsgerichtshofs aus 2009 keine Voraussetzung für die Änderung im Personenstandsregister mehr (VwSlg 17640 A/2009). Die Änderungen erfolgen seither auf Basis eines psychiatrischen oder psychologischen Gutachtens, das belegt, dass die betreffende Person „lange Zeit unter der zwanghaften Vorstellung gelebt habe, dem anderen Geschlecht zuzugehören“ (VwSlg 17640 A/2009). Diese Pathologisierung ist für viele trans* Personen sehr belastend.

Fazit

Aus Sicht der GAW ist hinsichtlich der Schreiben der Arbeitsvermittlung und des verwendeten Adresszusatzes eine Belästigung aufgrund des Geschlechts (§ 7 Abs 1 Z 4; § 4 Z 1 GlBG) und eine Diskriminierung beim Zugang zur Berufsberatung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses (§ 4 Z 1 GlBG) im Sinn des GlBG erfolgt. Hinweise auf Geschlechtsanpassungen in Adressfeldern setzen trans* Personen der Gefahr von Belästigungen und Beschimpfungen aus – noch dazu, wenn derartige Briefe in Fensterkuverts verschickt werden. Die Beibehaltung dieser Vorgehensweise trotz Urgenz kann aus der Sicht der GAW als Belästigung gesehen werden – eine besonders würdeverletzende Form der Diskriminierung.

Die Arbeitsvermittlung brachte in ihrer Stellungnahme vor, dass der Hinweis auf die Namens- und Geschlechtsanpassung durch einen Irrtum der Bearbeiterin falsch im EDV-System eingetragen worden war und daher im Adressfeld aufschien. Eine Diskriminierung hängt jedoch nicht von der bewussten Absicht der Person ab, sondern davon, ob eine diskriminierende Wirkung eintritt.

Dass Frau Z. in ihrer Situation nicht alleine ist, belegen zahlreiche Studien. Darunter eine SORA-Studie aus 2017 über die Arbeitsstationen von LGBTIQ-Personen. Sie zeigt auf, dass 60 % der befragten LGBTIQ-Personen bereits Benachteiligungen und Diskriminierungen in ihrer Arbeitsstelle erlebt haben. Die häufigste Form der Diskriminierung sind Gerüchte, Tuscheln und üble Nachrede. Bei trans* Personen ist das Ergebnis noch eindeutiger: Rund die Hälfte hat Diskriminierung in der Arbeitswelt erlebt. Außerdem zeigt die Studie, dass befragte trans* Personen häufiger Schwierigkeiten beim Zugang zu Arbeit haben, mehr als jede dritte trans* Person hat aufgrund ihrer Geschlechtsidentität schon einmal einen Job nicht bekommen, mehr als ein Viertel ist gekündigt worden und 41 % haben selbst schon einmal einen Job gekündigt, weil die Situation in der damaligen Arbeitsstätte zu belastend war (Schönherr, Zandonella: 2017).

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