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Transfeindliche Hausgemeinschaft: Mieterin setzt sich mit Erfolg zur Wehr Fall des Monats Juni 2023

Vorfall: Transfeindlichkeit im eigenen Wohnraum

Frau F hat behördlich ihren Personenstand und in der Folge ihren Vornamen geändert. Durch diese Änderung wird ihre Geschlechtsidentität von staatlicher Seite anerkannt. Dies teilt sie auch ihrem Vermieter Herrn K mit.

Von diesem Zeitpunkt an hat Frau F das Gefühl, dass sich Herrn Ks Verhalten ihr gegenüber abrupt verändert. Sie zieht daher in Erwägung auszuziehen und bittet Herrn K um eine einvernehmliche vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses. Der Vermieter ist prinzipiell damit einverstanden, bittet Frau F allerdings noch um etwas Geduld. Das Thema wird seinerseits danach nicht wieder aufgegriffen.

Als Frau F schließlich ihren Haustürschlüssel verliert und Herrn K um Unterstützung bitten möchte, eskaliert die Situation. Herr K greift zu transfeindlichen Beschimpfungen, droht mitunter Gewalt an, woraufhin Frau F Strafanzeige erstattet. Zudem verhalten sich Frau Fs Nachbar:innen ihr gegenüber wiederholt feindselig und transfeindlich. Diesbezüglich wendet sich Frau F des Öfteren an ihren Vermieter. Herr K schenkt ihr jedoch kein Gehör und wird abermals beleidigend. 

Frau F weist ihren Vermieter wiederholt darauf hin, dass sein Verhalten unangebracht und diskriminierend ist. Aus Angst, dass sich die Vorkommnisse jederzeit wiederholen könnten, möchte sie umso dringlicher aus dem Mietobjekt ausziehen. Diesen Wunsch ignoriert Herr K allerdings weiterhin beharrlich. 

Da sie sich nicht mehr weiterzuhelfen weiß, wendet sich Frau F schließlich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft.

Rechtliche Hintergründe

Diskriminierung aufgrund des Geschlechts

Das Gleichbehandlungsgesetz (GIBG) verbietet die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts unter anderem beim Zugang zu und der Versorgung mit Wohnraum (§ 31 GIBG). Gemäß § 35 (1) GIBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts unter anderem dann vor, wenn eine Person durch geschlechtsbezogene Verhaltensweisen belästigt wird. Das ist der Fall, wenn ein geschlechtsbezogenes Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt, für die betroffene Person unerwünscht ist und ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld für die betroffene Person schafft.

Als Belästigung verpönte Verhaltensweisen können verschiedene Formen annehmen: angefangen bei verbalen Äußerungen und Gesten, über das Verfassen, Zeigen und Verbreiten von schriftlichen Äußerungen, E-Mails, SMS, Bildern bis hin zu körperlichen Übergriffen (§ 35 Abs. 1 GlBG). Die Benachteiligung und Belästigung von trans Personen fällt im Gleichbehandlungsrecht unter den Diskriminierungsschutz aufgrund des Geschlechts. Die Geschlechtsidentität und der Geschlechtsausdruck eines Menschen sind sowohl im Bereich der Arbeitswelt als auch beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen geschützt.

Bei einer geschlechtsbezogenen Belästigung hat die betroffene Person etwa gegenüber ihrem belästigenden Vermieter einen Anspruch auf Schadenersatz. Bei Belästigungen beträgt dieser mindestens 1.000 Euro (§ 38 Abs. 2 GlBG).

Das Recht, nach einer Diskriminierung aus einem Mietverhältnis auszutreten, ist in diesem Gesetz, auf dessen Basis die Gleichbehandlungsanwaltschaft berät, allerdings nicht verankert. Dies kann ein Problem darstellen, da die Leistung von Schadenersatz kaum jemals das sein wird, was Personen in dieser Situation helfen kann und was diese wünschen. Nach Intervention durch die Gleichbehandlungsanwaltschaft ist es in solchen Fällen teils dennoch möglich, eine Lösung zu vermitteln, die nicht mit dem Gesetz durchsetzbar ist, die Situation allerdings verbessert.

Gleichbehandlungskommission kommt zu klarem Ergebnis

Frau F wird von der Gleichbehandlungsanwaltschaft über ihre rechtlichen Möglichkeiten aufgeklärt. Mit der Unterstützung einer Gleichbehandlungsanwältin versucht sie, zuerst eine Einigung mit ihrem Vermieter zu erzielen. Sie fordert eine einvernehmliche Auflösung des Mietverhältnisses und einen angemessenen Schadenersatz. Darauf geht Herr K allerdings nicht ein. Schließlich reicht Frau F einen Antrag bei der Gleichbehandlungskommission ein.

Herr K streitet in seiner Stellungnahme vor der Gleichbehandlungskommission ab, sich diskriminierend gegenüber Frau F verhalten zu haben. Zudem wisse er auch nicht davon, dass sich Nachbar:innen Frau F gegenüber feindselig verhalten hätten. Er gebe zwar zu, „ein bisschen ausfällig“ auf Frau F reagiert zu haben, nachdem diese ihn bat, ihr die Wohnungstüre aufgrund eines verlorenen Schlüssels aufzuschließen, aber er habe dabei keine transfeindlichen Beschimpfungen ausgesprochen und sich anschließend entschuldigt. 

Während seiner Stellungnahme verwendet Herr K allerdings wiederholt männliche Pronomen, um über Frau F zu sprechen. Zudem gibt er im Verlauf der Befragung durch den Senat der Gleichbehandlungskommission zu, gegenüber Frau F nicht nur „ein bisschen ausfällig“ geworden zu sein, sondern ihr sehr wohl in einer „anstößigen“ Wortwahl gedroht zu haben. 

Aufgrund Herrn Ks mehrmals getätigten widersprüchlichen Äußerungen und der detaillierten und widerspruchsfreien Ausführungen Frau Fs zum Vorfall als auch ihres glaubhaften Eindrucks, stellt die Gleichbehandlungskommission eine Diskriminierung durch eine geschlechtsbezogene Belästigung fest.

Herr K wird daraufhin aufgefordert, einen angemessenen Schadenersatz zu entrichten. Durch die Schließung eines Vergleichs erhält Frau F schließlich einen Betrag in vierstelliger Höhe.

Während der Zeitspanne zwischen Antragsstellung und Verhandlungsbeginn ist es Frau F zudem gelungen, ihr Mietverhältnis einvernehmlich frühzeitig zu beendigen.

Für Stärkung der Rechtssicherheit ist Klarstellung nötig

Wenn es um den Diskriminierungsschutz von LGBTQIA+ Personen geht, besteht rechtlich noch einiges an Handlungsbedarf: Die Rechtsprechung hat zwar schon lange klargestellt, dass der Diskriminierungsgrund „Geschlecht“ eine rechtliche Grundlage für den Schutz von trans Personen bietet. Um allerdings die Rechtssicherheit für trans, nicht-binäre und intergeschlechtliche Personen zu stärken, sollte gesetzlich explizit klargestellt werden, dass der Begriff „Geschlecht“ auch Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechtsmerkmale umfasst.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft fordert die Gesetzgebung daher auf, diese Lücke im Gleichbehandlungsgesetz dringend zu schließen.