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IT-Experte der falschen Generation: Schadenersatz für Altersdiskriminierung bei der Bewerbung Fall des Monats September 2022

Vorfall 

Vor zehn Jahren kam Herr T, australischer Staatsbürger, aus beruflichen Gründen nach Wien. Acht Jahre lang war der nunmehr 60-Jährige in der H-GmbH als Experte im Bereich „Digitale Systeme“ tätig. Dieses Arbeitsverhältnis wird jedoch beendet und Herr T ist gezwungen, sich um eine neue Anstellung zu bemühen. Auf Anraten seines ehemaligen Vorgesetzten wendet er sich Anfang August mit seinen Bewerbungsunterlagen per Email an Herrn P, den stellvertretenden Geschäftsführer der S-GmbH, und erkundigt sich nach Beschäftigungsmöglichkeiten. Mit Herrn P hat Herr T in der Vergangenheit bereits gut zusammengearbeitet.

In einer ersten Antwort reagiert Herr P auch grundsätzlich positiv und erkundigt sich nach einigen arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen, da Herr T ja australischer Staatsangehöriger ist. Herr T bestätigt seine aufrechte Arbeitserlaubnis und weist auf die Möglichkeit hin, seine Beschäftigung durch das AMS-Förderprogramm „50+“ für ältere Arbeitnehmer:innen unterstützen zu lassen.

Als Herr T Mitte September keine weitere Rückmeldung von Herrn P erhalten hat, fragt er noch einmal nach. Herr P führt in seiner Antwort aus, dass er in seinem Bereich mit einem Team aus Leuten der „Generation X und Y“ neu starten wolle. Diese Generationen würden ca. die Jahrgänge 1960 bis 2000 umfassen. Herr T jedoch sei im Jahr 1957 geboren und falle somit nicht mehr in diesen Zeitraum, weswegen eine Mitarbeit nicht in Frage komme. Aufgrund dieser Aussage fühlt sich Herr T aufgrund seines Alters diskriminiert und wendet sich zur Beratung an die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW).

Verfahrensverlauf

Das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) verbietet Diskriminierungen aufgrund des Alters unter anderem bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Nach Beratung durch die GAW wendet sich Herr T mit deren Unterstützung an die Gleichbehandlungskommission (GBK), um das Vorliegen einer Diskriminierung überprüfen zu lassen. Die S-GmbH muss im Verfahren eine Stellungnahme abgeben und beruft sich im Wesentlichen darauf, dass sich Herr T nie beworben und lediglich Interesse an einem potentiellen Arbeitsverhältnis bekundet habe.

Die GBK folgt der Argumentation der GAW und stellt eine Diskriminierung aufgrund des Alters bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses fest. Zu diesem Schluss kommt sie angesichts der schriftlichen Äußerungen des Herrn P, wonach eine Zusammenarbeit ausschließlich mit Angehörigen der „Generation X und Y“ gewünscht sei. Dadurch ist der Ausschluss von Herrn T aus dem Bewerbungsprozess unzulässigerweise einzig aufgrund seines Alters erfolgt.

Dass Herr T sich nicht auf eine konkrete Stelle sondern initiativ beworben hat, sei dabei irrelevant, denn es sei laut herrschender Judikatur des Obersten Gerichtshofs (OGH) der gesamte Bewerbungsprozess diskriminierungsfrei zu gestalten.

Nach diesem Prüfungsergebnis erstattet die belangte S-GmbH Herrn T den ihm nach GlBG zustehenden Schadenersatz in Höhe des Höchstbetrags von EUR 500.

Analyse 

§ 17 Abs 1 Z 1 GlBG legt fest, dass Diskriminierungen aufgrund des Alters bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses verboten sind. Der OGH hat ausgesprochen, dass damit der gesamte Bewerbungsprozess um eine Stelle umfasst ist und diskriminierungsfrei ausgestaltet sein muss (8 ObA 11/09i). Dieses Diskriminierungsverbot begründet keinen Anspruch auf die Begründung eines bestimmten Arbeitsverhältnisses, sondern konkretisiert vorvertragliche Sorgfaltspflichten. Als Rechtsfolge der Verletzung solcher Schutzpflichten entstehen Schadenersatzansprüche zugunsten der diskriminierten Person. Auch Initiativbewerbungen sind von diesem Verbot erfasst, da sonst der Zweck des GlBG, nämlich die Herstellung einer diskriminierungsfreien Arbeitswelt, verfehlt würde.

Bewerber:innen dürfen nicht bereits im Interessensbekundungsstadium von einer Bewerbung abgehalten werden. Es kommt für die Anwendung des GlBG nicht darauf an, ob eine Stelle konkret ausgeschrieben wurde. Der Emailverkehr zwischen Herrn T und Herrn P stellt eine Anbahnung eines Dienstverhältnisses dar: Herr T erkundigt sich nach einer Anstellungsmöglichkeit und Herr P befragt ihn sogleich zu arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen.

Da Herr P zum Ausdruck bringt, sein Team neu zusammenstellen zu wollen, darf Herr T davon ausgehen, dass Herr P auf der Suche nach neuen Mitarbeiter:innen ist. Die Aussage, ein Team ausschließlich aus Leuten der Generation X und Y zusammenstellen zu wollen, schließt Herrn T ohne Rücksicht auf seine Erfahrung und Qualifikationen einzig aufgrund seines Alters vom Bewerbungsprozess aus. Somit ist das Diskriminierungsverbot des § 17 Abs 1 Z 1 GlBG auf den Emailverkehr anzuwenden.

Da im Fall einer Initiativbewerbung der durch die Diskriminierung entstandene Schaden nur darin besteht, dass die Berücksichtigung seiner Bewerbung verweigert wurde, steht Herrn T Schadenersatz bis EUR 500 zu (§ 26 Abs 1 Z 2 GlBG). Hätte es sich allerdings um eine Bewerbung aufgrund einer konkreten Stellenausschreibung gehandelt und wäre nachgewiesen worden, dass Herr T bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte, so würde ihm Schadenersatz in Höhe von mindestens zwei Monatsentgelten zustehen (§ 26 Abs 1 Z 1 GlBG).