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Beschimpft, belästigt – nicht geschützt Fall des Monats Jänner 2020

Vorfall und Dokumentation durch die Gleichbehandlungsanwaltschaft

Herr X ist ein schwuler junger Mann. Er wendet sich aufgrund eines akuten Schadensfalls in seiner Wohnung an einen Heizungsinstallations-Notdienst. Es erscheinen zwei Mitarbeiter in seiner Wohnung und beginnen, die Reparaturen vorzunehmen. Als sie die Regenbogenfahnen (Der Regenbogen gilt gemeinhin als Symbol für das Selbstbewusstsein von LGBTiQ*-Personen (lesbisch, schwul, bisexuell, trans, inter, queer) sehen, die zur Dekoration an der Wand hängen, beginnen sie, Herrn X aufgrund seiner sexuellen Orientierung zu beschimpfen. Sie wollen ihm ein stark überhöhtes und nicht vereinbartes Honorar in Rechnung stellen. Herr X fühlt sich massiv bedroht und ruft einen Freund an. Schließlich gelingt es ihm, die beiden Handwerker aus seiner Wohnung zu werfen. Herr X meldet den Vorfall der Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen (WASt). Dort erklärt man ihm, dass das Gleichbehandlungsgesetz vor solchen Vorfällen nicht schützt. Die WASt leitet den Fall zur Dokumentation an die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) weiter.

Hintergründe

Diskriminierung bei einer Dienstleistung

Bei Diskriminierungen im Zusammenhang mit dem Zugang zu Dienstleistungen gilt grundsätzlich das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG). Als Dienstleistungen im Sinne des GlBG gelten etwa der Besuch bei der Ärztin oder beim Friseur, die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, die Inanspruchnahme von Bank oder Versicherungsleistungen oder eben auch einer Reparatur-Dienstleistung bei einem Installateur, wie im Fall von Herrn X. Allerdings ist der Diskriminierungsschutz hier im Vergleich zur Arbeitswelt nicht so umfassend: derzeit schützt das GlBG nur vor Diskriminierungen auf Grund des „Geschlechts“ und der „ethnischen Zugehörigkeit (Teil III GlBG, §§ 30ff.). Um dennoch zur Förderung von Gleichstellung beizutragen und Diskriminierungen präventiv entgegenzuwirken, hat die GAW verschiedene Empfehlungen zum Gleichbehandlungsgebot im Zusammenhang mit Dienstleistungen verfasst, etwa an Bankinstitute oder Makler_innen.

Lesben, Schwule und Queers bei Dienstleistungen nicht geschützt

Herr X wurde von den Elektrikern belästigt und beleidigt – aufgrund seiner sexuellen Orientierung. Der Vorfall war ihm unangenehm, er fühlte sich unsicher und gedemütigt. Das GlBG schützt allerdings derzeit nicht bei Diskriminierungen auf Grund der „sexuellen Orientierung“ beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Es kann leider nach wie vor nicht gesetzlich bekämpft werden, wenn homo- oder bisexuell orientierte Menschen allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung aus einem Kaffeehaus verwiesen werden (Vor einigen Jahren sorgte der „Kuss-Fall“ im Wiener Café Prückel für Aufregung. Ein lesbisches Paar wurde ersucht, das Kaffeehaus zu verlassen, nachdem es sich zur Begrüßung geküsst hatte. Vgl wien.orf.at vom 11.01.2015, [Zugriff: 10.2.2020]), einen Mietvertrag nicht gewähren erhalten, im Taxi nicht mitgenommen werde, u.Ä. Das gilt auch für Belästigungen und Beleidigungen, wohingegen ein solches Vorgehen aus rassistischen Motiven bekämpft werden kann. Wenn homosexuell orientierte Menschen  in einem Geschäft, in einem Restaurant oder eben von Mitarbeiter_innen eines von ihnen beauftragten Betriebs wegen ihrer sexuellen Orientierung beschimpft werden, bleibt dies nach wie vor ohne rechtliche Folgen nach dem GlBG. Handelt es sich um massive Einschüchterungen und Beschimpfungen droht eventuell eine strafrechtliche Konsequenz. Die Schwelle der einschlägigen Straftatbestände (Nötigung, Gefährliche Drohung, Üble Nachrede, Beleidigung, …) ist jedoch recht hoch gesetzt und wird bei den meisten Diskriminierungen nicht überschritten. Zudem hat das GlBG eine ganz andere Stoßrichtung als das Strafrecht – es geht hier nicht primär um eine Sanktion zur Abschreckung, sondern um einen Ausgleich einer individuellen Würdeverletzung. Es bietet somit dem_der Betroffenen verschiedene Vorteile: Es sieht einen individuellen Schadenersatzanspruch vor, der rechtlich durchgesetzt werden kann, ermöglicht den Zugang zu Beratungs- und ggf. Rechtschutzeinrichtungen und erleichtert die Beweislast zugunsten des_der Betroffenen. Aus der Erfahrung der GAW zeigt sich, dass sehr viele Menschen das als ungerecht empfinden und immer wieder auch Zivilcourage zeigen, um diese Benachteiligungen zu skandalisieren.

Herr X kann sich mithilfe des GlBG nicht zur Wehr setzen. Er kann den Fall lediglich dokumentieren lassen. Die Dokumentation von Fällen wie jenem von Herrn X ist essentiell: Derartig gelagerte Fälle können so erfasst werden und ermöglichen der GAW, insb. in ihrem zweijährigen Bericht ihrer Wahrnehmungen an den Nationalrat auf bestehende Schutzlücken hinzuweisen. Im Bereich der Dokumentation ist die Zusammenarbeit mit NGOs oder einschlägigen Beratungsstellen wie der WASt von enormer Wichtigkeit für die GAW, um eine aussagekräftige Statistik zu erreichen. Fälle können der GAW telefonisch, per Mail sowie ganz einfach über die Gleichbehandlungs:App gemeldet werden. 

Mithilfe der Gleichbehandlungs:App können Diskriminierungsfälle schnell und anonym gemeldet werden.

Fazit

Stärkung der Schutzmöglichkeiten gegen Diskriminierung in den unterschiedlichen Lebensbereichen

Im Bereich der Gleichstellung von homo- und bisexuellen Menschen bestehen Schutzlücken. Eine groß angelegte Studie zu „Diskriminierungserfahrungen in Österreich“ belegte, dass schwule, lesbische oder bisexuelle Befragte zu 73% eine Diskriminierung in den letzten drei Jahren erlebt haben und gegenüber heterosexuellen Befragten eine mehr als dreimal so hohe Wahrscheinlichkeit auf, in mindestens einem der vier untersuchten Lebensbereiche „Arbeit“, „Wohnen“, „Gesundheit“ und „Bildung“ eine Schlechterbehandlung zu erleben. Bis auf „Arbeit“ fallen diese Lebensbereiche allesamt in den Teil III GlBG. Die Miteinbeziehung von Lesben, Schwulen und Queers in den Schutz bei Dienstleistungen ist dringend geboten. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso Homo- und Bisexuelle sowie Personen mit einer queeren sexuellen Orientierung im Bereich der Güter und Dienstleistungen nicht das gleiche Schutzbedürfnis haben sollten wie Personen, die aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer ethnischen Zugehörigkeit Benachteiligungen erfahren. Den Mitgliedstaaten der EU steht es offen, den durch Richtlinien vorgegebenen Diskriminierungsschutz auszuweiten. Österreich erfüllt nur den EU-Mindeststandard. 32 von 36 EQUINET-Mitglieder (EQUINET ist ein als Verein organisierter, europaweiter Zusammenschluss von Gleichbehandlungsstellen) schützen vor Diskriminierungen auf Grund der sexuellen Orientierung außerhalb der Arbeitswelt (vgl EQUINET-Brochure 2020 [Zugriff: 10.06.2021]), ebenso die Antidiskriminierungsgesetze der Bundesländer.