Alleinerzieherin von Arbeitgeberin gekündigt: Klientin fordert Schadenersatz

Eine Alleinerzieherin in Teilzeitanstellung muss in ihrer Filiale unverhältnismäßig häufig und kurzfristig für Kolleg:innen einspringen. Sie wird von ihrer Arbeitgeberin vor die Wahl gestellt, entweder weniger zu verdienen, oder sich zu verpflichten, Vertretungsdienste zu übernehmen. Als sie sich wehrt, wird sie gekündigt.

Vorfall: Diskriminierung als alleinerziehende Teilzeitkraft

Frau G war als Filialleiterin im Handel beschäftigt. Sie ist alleinerziehende Mutter einer Tochter und verhandelte deshalb bei der Einstellung eine Teilzeitanstellung im Ausmaß von 25 Wochenstunden. Die Arbeitgeberin war anfänglich nur schwer von der Teilzeitanstellung zu überzeugen und bestand für die Einstellung darauf, dass Frau G „gelegentlich“ für Kolleg:innen einspringen müsse. Frau G übernahm diese Dienste, doch die Anfragen häuften sich und wurden immer nur sehr kurzfristig angekündigt. Als die Filialleiterin wegen der schlechten Planbarkeit und Unvereinbarkeit mit ihrer Rolle als Alleinerzieherin manche Vertretungsdienste absagen musste, wurde sie mit sehr unangenehmen Nachfragen seitens der Arbeitgeberin konfrontiert. Letztlich stellte die Arbeitgeberin Frau G vor die Wahl: Das vereinbarte Gehalt dürfe sie beibehalten, wenn sie dafür alle Vertretungsdienste sicherstellen könne. Oder sie könne nur Vertretungsdienste übernehmen, die mit ihren Betreuungspflichten vereinbar sind, müsse dafür aber künftig 200 Euro weniger Monatsgehalt in Kauf nehmen. Frau G weigerte sich, diese Bedingungen anzunehmen und wurde gekündigt. Sie wendete sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft.

Rechtliche Hintergründe

Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und Vereinbarkeit

In der Beratung der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) werden seit langem Fälle im Zusammenhang mit Vereinbarkeit behandelt. Diesbezügliche Anfragen beziehen sich vor allem auf Karenz und Elternteilzeit. Dabei hat sich die GAW bisher auf die Formulierung des Gleichbehandlungsgesetzes gestützt, wonach Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts – insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat – verboten sind (§ 3 GlBG). Diskriminierungen in Verbindung mit der Betreuung und Pflege von Kindern wurden dabei bisher als mittelbare Form der Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes gewertet. Auch der benachteiligende Umgang mit Teilzeitkräften ist eine große Herausforderung von geschlechtsspezifischer Diskriminierung, da in Österreich nach wie vor insbesondere Frauen mit Betreuungspflichten teilzeitbeschäftigt sind. Es ist aus Sicht der Gleichbehandlungsanwaltschaft benachteiligend, wenn Arbeitgeber:innen gegenüber teilzeitbeschäftigten Eltern Stereotype wie „mangelnde Flexibilität“ bedienen. Teilzeitkräfte werden dabei implizit an Vollzeitkräften ohne Betreuungspflichten gemessen. Im konkreten Fall forderte die Arbeitgeberin etwa von Frau G eine immerwährende Rufbereitschaft, obwohl diese teilzeitbeschäftigt und alleinerziehend war.

Eine rechtliche Nachschärfung gibt es seit 1. November 2023 im Gleichbehandlungsgesetz: Der neu eingeführte § 5a GlBG bestimmt unter anderem, dass das Gleichbehandlungsgesetz zur Anwendung kommt, wenn eine Person im Zusammenhang mit Elternteilzeit diskriminiert wird. § 5a stellt nun explizit klar, dass die Betreuungsarbeit in der Familie zu keinen Benachteiligungen in der Arbeitswelt führen darf.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft sieht in diesem Fall viele Hinweise auf benachteiligende Arbeitsbedingungen und eine diskriminierende Beendigung der Beschäftigung aufgrund des Geschlechts und im Zusammenhang mit den Betreuungspflichten von Frau G. Unter anderem kann die Klientin belegen, dass die Arbeitgeberin die Vertretungsdienste nur sehr kurzfristig kommuniziert, und bei Absagen Druck auf die Filialleiterin ausgeübt hatte. Es wurde Frau G mehrfach vorgeworfen als alleinerziehende Mutter besonders unflexibel zu sein, obwohl diese auch etliche Vertretungsdienste übernommen hat, und dies trotz ihrer Teilzeitanstellung. Letztlich schätzt die Gleichbehandlungsanwaltschaft auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses als geschlechtsbezogene Diskriminierung ein. Das Unternehmen hat nämlich das Arbeitsverhältnis in direkter Reaktion darauf beendet, dass die Klientin auf die vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten bestanden hat.

Aufgrund des erlittenen Verdienstentganges durch die Beendigung entstand der Klientin ein erheblicher Schaden. Die Klientin kann Schadenersatz in Höhe des entgangenen Verdienstes fordern und außerdem auch eine Forderung wegen des immateriellen Schades stellen, der durch die diskriminierenden Arbeitsbedingungen und die Beendigung entstanden ist. Der immaterielle Schaden umfasst vor allem die entstandene Würdeverletzung und die hohe finanzielle und psychische Belastung durch die Kündigung.

Antrag bei der Gleichbehandlungskommission für Schadenersatzforderung

Frau G entschloss sich mit Unterstützung der Gleichbehandlungsanwaltschaft einen Antrag bei der Gleichbehandlungskommission einzubringen. Wird der Antrag von Frau G bei der Gleichbehandlungskommission positiv beurteilt, hat die Klientin damit vor Gericht bessere Chancen, Schadenersatz einzuklagen.

Fazit: Ein Umdenken bei Teilzeitanstellungen ist nötig

Auch wenn Frau G in Teilzeitanstellung tätig war: Sie füllte ihre Rolle als Filialleiterin sehr gewissenhaft aus und kommunizierte regelmäßig ihr Interesse an neuen Führungsaufgaben. Die Forderung der Arbeitgeberin nach einer permanenten Rufbereitschaft ist diskriminierend. Diese Auflage orientiert sich nämlich an eine:m Angestellten in Vollzeit ohne Betreuungspflichten. Das ist jedoch für eine Teilzeitangestellte mit Betreuungspflichten nicht verhältnismäßig. Um diskriminierungsfreie Arbeitsbedingungen zu schaffen, sollten Arbeitgeber:innen nach Ansicht der Gleichbehandlungsanwaltschaft die Jobanforderungen verhältnismäßig gestalten und an die zeitliche Verfügbarkeit anpassen. Es ist auch für Beschäftigte in Teilzeit wichtig, in spannenden Betätigungsfelder zu arbeiten und Verantwortung zu übernehmen. Entscheidend ist, dass Arbeitgeber:innen dafür ermöglichende Bedingungen schaffen.

Die neue gesetzliche Grundlage im Gleichbehandlungsgesetz stellt klar, dass aufgrund von Betreuungsarbeit in der Familie keine Benachteiligungen in der Arbeitswelt entstehen dürfen (§5a GlBG). Es ist nach Auffassung der Gleichbehandlungsanwaltschaft deshalb diskriminierend, dass Arbeitgeber:innen unzumutbare Forderungen an Arbeitnehmer:innen in Teilzeitbeschäftigung stellen. Es ist aber auch diskriminierend, dass Arbeitnehmer:innen Teilzeitkräften, die in Österreich aufgrund der ungleichen Verteilung von Care-Arbeit vornehmlich weiblich sind, weniger Verantwortung übertragen. In Österreich bekommen beispielsweise Frauen, die in Teilzeit arbeiten, viel seltener Führungspositionen. Ein Umdenken seitens der Arbeitgeber:innen ist hier dringend notwendig.

Weiterführende Informationen

Zu Vereinbarkeitsfragen gibt es weiterführende Informationsmaterialien auf unserer Themenseite