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Väter und Vereinbarkeit von Job und Familie: Vater macht Ansprüche wegen Diskriminierung erfolgreich geltend
Fall des Monats Juli 2020

Vorfall und Unterstützung durch die Gleichbehandlungsanwaltschaft

Herr E hat zum Zeitpunkt der Geburt seines Kindes eine Führungsposition in einem männerdominierten Finanzdienstleistungsunternehmen inne. Als sein Sohn ein Jahr alt ist, ist Herr E seit etwa 4 Jahren in diesem Unternehmen beschäftigt. Er möchte seinen Anspruch auf Elternteilzeit geltend machen und seine Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden reduzieren. Der Arbeitgeber ist damit nicht einverstanden. Sie einigen sich schließlich mündlich auf eine Elternteilzeit von 37,5 Stunden. Die Bedingungen vereinbaren sie ebenfalls mündlich. Nachdem diverse Abmachungen vonseiten des Arbeitgebers nicht eingehalten werden und Herr E sich in punkto Arbeitszeit wiederholt schikanös behandelt fühlt, reduziert er diese schließlich auf 9,5 Wochenstunden. Daraufhin verschlechtern sich seine Arbeitsbedingungen massiv. So werden ihm etwa Aufgaben zugewiesen, die sonst von Praktikant:innen erledigt werden und neben seinem Arbeitsplatz wird ein Wäscheständer mit Schmutzwäsche aufgestellt. Er erfährt, dass sein Vorgesetzter und der Geschäftsführer des Unternehmens eine Wette abschließen, wie lange er die Elternteilzeit wohl durchhalten wird. Herr E fühlt sich gemobbt. Er erträgt diese Situation insgesamt fünf Jahre lang. Danach beendet er vorzeitig seine Elternteilzeit in der Hoffnung, dass sich die Situation am Arbeitsplatz entspannt. Da dem allerdings nicht so war und er in Folge dessen gesundheitliche Probleme bekommt, kündigt Herr E das Dienstverhältnis. Er wendet sich zur Beratung an die AK und möchte Ansprüche auf Schadenersatz für die erlittene persönliche Beeinträchtigung geltend machen. Nachdem das Unternehmen trotz Aufforderung nicht bereit ist, diesen zu bezahlen, klagt Herr E mit Unterstützung der AK, die ihn auch an die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) verweist.

Zur Vorbereitung auf die Gerichtsverhandlung wird in der Beratung bei der GAW genau besprochen, welche Aspekte des Sachverhalts für die Frage, ob eine Diskriminierung im Sinne des GlBG vorliegt, von besonderer Bedeutung sind. Das Verfahren dauert rund eineinhalb Jahre. Durch ein Schreiben der GAW an das AMS kann erreicht werden, dass die Sperre des Arbeitslosengeldes des Herrn E aufgehoben wird und er das Geld nachgezahlt erhält (siehe § 11 Abs 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG)). Schließlich fällt das Gericht ein Urteil, das Herrn E vollinhaltlich Recht gibt. Ihm wird für die erlittene persönliche Beeinträchtigung durch die Diskriminierung bei den Arbeitsbedingungen Schadenersatz in Höhe von EUR 3.000,- brutto, vorbehaltlich weiterer Ausdehnung, zugesprochen. Herr E sieht dies als Erfolg und hofft, dass er durch dieses Verfahren einen Beitrag zur Gleichbehandlung bei der Kinderbetreuung leisten konnte.

Hintergründe

Elternteilzeit – Anspruch und Voraussetzungen

Im Rahmen einer Elternteilzeit haben Väter und Mütter die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit zu verkürzen, die Lage ihrer Arbeitszeit zu verändern – oder beides. Die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen finden sich im Väter-Karenzgesetz (VKG) bzw im Mutterschutzgesetz (MSchG).

Voraussetzung für einen Anspruch auf Elternteilzeit ist, dass man seit mindestens 3 Jahren im selben Unternehmen tätig ist und dieses über 20 Personen beschäftigt. Auch Karenzen werden in diese 3 Jahre eingerechnet. Weiters ist Voraussetzung, dass man mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt oder für dieses Obsorge berechtigt ist. Ein zweiter Elternteil darf nicht gleichzeitig in Karenz sein; gemeinsame Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen, ist allerdings möglich. Für Kinder, welche ab dem 1.1.2016 geboren sind, muss die Arbeitszeit um mindestens 20 Prozent reduziert werden, wobei sie nicht unter 12 Stunden pro Woche sinken darf – außer dies wird so mit dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin vereinbart. Die Elternteilzeit darf darüber hinaus nicht kürzer als 2 Monate sein. Sowohl Arbeitnehmer:innen als auch Arbeitgeber:innen haben das Recht, einmal eine Änderung der Elternteilzeit zu beantragen. Für Personen in Elternteilzeit besteht bis zum Ablauf des 4. Lebensjahres des Kindes ein Kündigungs- und Entlassungsschutz, bis zum 7. Lebensjahr ein Motivkündigungsschutz.

Eltern, die in Betrieben mit weniger als 21 Mitarbeiter_innen beschäftigt sind oder weniger als 3 Jahre im selben Betrieb tätig waren – und welchen daher keinen Anspruch auf Elternteilzeit zusteht – haben die Möglichkeit, sich mit der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber auf eine sogenannte vereinbarte Elternteilzeit zu einigen. Anders als die Elternteilzeit, welche bis zum Ende des 7. Lebensjahres vereinbart werden kann, ist dies für die vereinbarte Elternteilzeit nur bis zum Ende des 4. Lebensjahres möglich. 

Der Wunsch, eine Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen, ist der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber zu melden, wobei Meldefristen zu beachten sind. Kommt es zu keiner Einigung über die Ausgestaltung der Elternteilzeit, besteht bei der Elternteilzeit, für die ein Anspruch besteht, die Möglichkeit, den Betriebsrat beizuziehen. Bleiben die Verhandlungen 2 Wochen nach Bekanntgabe des Elternteilzeit-Wunsches erfolglos, kann von Eltern, die in Betrieben mit weniger als 21 Mitarbeiter:innen beschäftigt sind oder weniger als 3 beiden Seiten die jeweilige gesetzliche Interessenvertretung beigezogen werden. Wird auch so keine Einigung erreicht, kann im Rahmen von außerbetrieblichen bzw. gerichtlichen Verfahren eine Lösung erzielt werden.

Auch für die vereinbarte Elternteilzeit gilt, dass der Betriebsrat beigezogen werden kann. Wenn allerdings keine Einigung erzielt werden kann, müssen Arbeitnehmer:innen eine Klage auf Einwilligung einbringen. Weitere Informationen zur Elternteilzeit und zu deren Durchsetzung finden sich in der Broschüre der AK Wien: „Elternteilzeit Ihr Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung oder auf help.gv.at.

Herr E war zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Elternteilzeit fast 4 Jahre in einem Betrieb mit über 20 Beschäftigten tätig, weshalb er Anspruch auf Elternteilzeit nach dem VKG hatte. Sein Sohn wurde vor dem 1.1.2016 geboren, wodurch die Regelung, nach welcher Arbeitszeit um mindestens 20 Prozent reduziert werden muss, aber nicht unter 12 Stunden sinken darf, keine Anwendung findet. Diesbezüglich bestehen also keine Einschränkungen. Wenn die Stundenzahl auch ungewöhnlich erscheint, konnte eine Elternteilzeit von 37,5 Stunden gültig vereinbart werden. Auch die einmalige Änderung der Arbeitszeit auf 9,5 Stunden konnte Herr E verlangen. Die Vereinbarung einer Elternteilzeit, welche unter 12 Stunden pro Woche beträgt, wäre auch für Kinder, die nach dem 1.1.2016 geborene wurden, möglich, sofern sich beide Seiten auf diese einigen. Ein Kündigungs- und Entlassungsschutz bestünde auch für diese (AK Wien, Elternteilzeit Ihr Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung [2020] zuletzt zugegriffen am 09.06.2020, Seite 10)

Schlechtere Arbeitsbedingungen wegen Elternteilzeit sind diskriminierend

§ 3 des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) normiert, dass niemand auf Grund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat, diskriminiert werden darf. Seit der Novelle BGBl I 2013/107 stellt das Gesetz also fest, dass das Diskriminierungsmerkmal „Geschlecht“ auch das Elternsein einschließt. 

Mit „Geschlecht“ ist nicht nur das biologische, sondern auch das soziale Geschlecht (Gender) gemeint, wobei Kindererziehung traditionell dem sozialen Geschlecht der Frau zugeordnet wird (Dr.in Sabine Wagner-Steinrigl, ARD 6673 2019, 3).  Benachteiligungen, welche sich aus der traditionellen Rollenverteilung ergeben, sind als Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts zu bewerten (Dr.in Sabine Wagner-Steinrigl, ARD 6673 2019, 3). Übernehmen Männer Aufgaben, die dem traditionellen Rollenbild der Frau entsprechen, können sich auch für diese spezifische Diskriminierungsrisiken verwirklichen, von welchen üblicherweise nur Frauen betroffen sind. Hier hat sich unstrittiger Weise die Rechtsansicht durchgesetzt, dass auch für Männer der Schutz vor Diskriminierungen gilt (Dr.in Sabine Wagner-Steinrigl, ARD 6673 2019, 3). Böte das GlBG Männern, die Aufgaben übernehmen, welche dem traditionellen Rollenbild der Frauen zugeordnet sind, keinen Schutz, stünde dies dem Gleichstellungsziel des GlBG (§ 2) sogar diametral entgegen. Herr E kann demnach auch als Mann auf Grund des Geschlechts diskriminiert werden, wenn er Elternteilzeit in Anspruch nimmt und deshalb schlechter behandelt wird. 

§ 3 GlBG verbietet Geschlechterdiskriminierung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bei der Begründung, der Entgeltfestsetzung, dem beruflichen Aufstieg, der Beendigung etc. Die Norm enthält auch einen „Auffangtatbestand“, welcher Diskriminierung bei den „sonstigen Arbeitsbedingungen“ verbietet. Bei den „sonstigen Arbeitsbedingungen“ geht es insbesondere auch um die Zuweisung des Einsatzbereiches, um die Arbeitsinhalte (OGH 9 ObA 117/15v = RIS-Justiz RS0131195) und die entgegengebrachten Wertschätzung. Verschlechtert der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin solche Aspekte des Dienstverhältnisses als Folge davon, dass Arbeitnehmer:innen Elternteilzeit in Anspruch nehmen, stellt dies eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts dar (OLG 17.10.2013 10 Ra 59/13i; GBK 26.5.2009, I/119/07 oder 7.3.2017, I/585/14).  

Herrn E wurden auf Grund der Inanspruchnahme einer Elternteilzeit Aufgaben gegeben, welche sonst von Praktikant:innen ausgeführt werden. Sein Vorgesetzter und der Geschäftsführer schließen eine Wette darüber ab, ob er die Elternteilzeit durchhält. Dies kann wohl nur als eine Herabwürdigung seines Wunsches, Zeit mit seinem Kind zu verbringen, verstanden werden. Eine Diskriminierung durch eine Benachteiligung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen auf Grund des Geschlechts ist damit zu bejahen. 

Was Herrn E passiert ist, ist kein Einzelfall. Allgemein zeigt sich in der Beratungspraxis der GAW, dass manche Unternehmen Männern weniger als Frauen zugestehen, Rechte in Anspruch zu nehmen, die es ihnen ermöglichen, ihren Beruf und Familie besser zu vereinen. Sie verstehen dies als eine Art Loyalitätsbruch.

Folge der Diskriminierung

Als Rechtsfolge einer Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen gem § 3 Z 6 GlBG sieht § 12 Abs 6 GlBG vor, dass der:die Arbeitnehmer:in Anspruch auf Gewährung der gleichen Arbeitsbedingungen wie ein:e Arbeitnehmer:in des anderen Geschlechts oder auf Ersatz des Vermögensschadens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung hat. 

Da das Arbeitsverhältnis beendet ist, kann Herr E gleiche Arbeitsbedingungen nicht mehr einfordern. 

Da  Herr E selbst gekündigt hat, kann er keinen Vermögensschaden, sondern nur eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung geltend machen. Das Arbeitslosengeld, das normalerwiese bei einer Selbstkündigung einer Sperre unterliegt, kann bei Nachweis einer Drucksituation wie etwa durch Diskriminierung eingefordert werden. Die GAW kann dabei auch unterstützen und konnte die Aufhebung der Sperre für Herrn E erreichen.

Väter und Vereinbarkeit – In Zahlen

Wie angesprochen, leitet sich der Diskriminierungsschutz von Männern in Elternteilzeit daraus ab, dass diese dabei in eine traditionelle Frauenrolle schlüpfen. Dass Kindererziehung ganz mehrheitlich „Frauensache“ ist, ist bis heute gesellschaftliche Realität. 2018 waren 73% der Frauen im Alter von 25 bis 49 Jahren mit Kindern unter 15 Jahren teilzeitbeschäftigt. Bei Männern dieser Altersgruppe mit Kindern unter 15 Jahren lag die Teilzeitquote bei 6,4%. Männer ohne Kinder waren - mit einer Quote von 11,6% - häufiger in Teilzeitbeschäftigung tätig, als solche die Kinder hatten (Statistik Austria, Internationaler Frauentag 2020: Frauen holen bezüglich Bildungsniveau und Erwerbstätigkeit auf; Teilzeit und niedrigere Erwerbseinkommen führen zu größeren sozialen Risiken (2020)). Auch bei den Karenzen zeigen sich große Unterschiede: Nach dem Wiedereinstiegsmonitoring der AK gehen nur 3% der Väter in Partnerschaften mehr als 3 Monate in Karenz. Wie auch Herr E, würden viele allerdings gerne mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen

Niedrigeres Einkommen,schlechtere Karrierechancen“, „weniger qualifizierte Tätigkeiten“, Erschwerung des Zugangs zu innerbetrieblicher Weiterbildung sowie eine niedrigere Pension sind mit Teilzeitarbeit verbunden (Bettina Stadler im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, Elternteilzeit in Österreich Entwicklungen und Beschäftigungseffekte (2019), Seite 49. (zuletzt zugegriffen am 10.06.2020)). Laut  Statistik Austria belief sich die mittlere monatliche Pension von Frauen 2018 auf 982 Euro, jene der Männer auf 1.953 Euro. Das Ungleichgewicht bei der Kindererziehung hat weitreichende Konsequenzen und bildet einen der wichtigsten Dreh- und Angelpunkte für tatsächliche Gleichstellung.

Fazit

Voraussetzungen schaffen, Stereotype abbauen

Nachdem mehrheitlich Frauen Kinderbetreuungsarbeit übernehmen, sind es auch sie, die primär von den sich daraus ergebenden beruflichen und finanziellen Nachteile betroffen sind. Männer wie Herr E, die ihre Vaterrolle ernst und Elternteilzeit oder Karenz in Anspruch nehmen, sehen sich häufig mit Diskriminierungen durch den oder die Arbeitgeber:in konfrontiert, welche mitunter auch darin begründet sind, dass dieses Verhalten mit den an sie gestellten Erwartungshaltungen bricht. Viele würden gerne mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, dies ist aber schlicht nicht möglich oder ginge mit zu großen wirtschaftlichen Einbußen für die Familie einher. Das Verbessern der (rechtlichen) Rahmenbedingungen und der weitere Abbau von Stereotypen sind essentiell dafür, dass Kinderbetreuungspflichten weniger häufig Grund von Benachteiligungen werden.

Auch wenn Herr E mit der Höhe des Schadenersatzes zufrieden war, ist bei dieser Konstellation (Herr E hat gekündigt, weil er die Diskriminierung und Abwertung nicht mehr ausgehalten hat) keine tatsächliche abschreckende Wirkung gegeben. Es wäre aus der Sicht der GAW notwendig, die Höhe des immateriellen Schadenersatzes massiv anzuheben, um eine generalpräventive Wirkung gegen Diskriminierung zu erzielen.

Will man bessere Rahmenbedingungen schaffen, ist es essentiell, zuerst den Ist-Zustand zu verstehen. Die GAW befürwortet daher die viel diskutierte Teilnahme Österreichs an der EU-Zeitverwendungsstudie von EUROSTAT. Diese gäbe uns ein besseres Verständnis für das Verhältnis bezahlter und unbezahlter Arbeit im Land. Die GAW nimmt außerdem an einem EU-geförderten Projekt „parents@work“ teil, in dessen Rahmen unter anderem Strategien entwickelt werden sollen, um Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen bei der Bekämpfung von Diskriminierung von Eltern am Arbeitsplatz zu unterstützen. Können Eltern diskriminierungsfrei und auf eine Art und Weise, die mit ihren familiären Pflichten vereinbar ist, am Arbeitsmarkt teilnehmen, profitieren hiervon schlussendlich alle.