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When Black Skin Matters Fall des Monats Juni

Vorfall und Unterstützung durch die Gleichbehandlungsanwaltschaft

Herr P stammt aus Ghana. Er ist seit über 10 Jahren als Pflegehelfer in einem Pflegeheim tätig. Seine Arbeit übt er mit großer Freude und Gewissenhaftigkeit aus. Auch mit einer neu aufgenommenen Patientin, Frau O, kommt er zunächst gut zurecht. Nach etwa einer Woche verwehrt ihm jedoch die anwesende Tochter der Patientin, Frau L, den Eintritt in das Zimmer und erklärt sehr laut vor den herbeieilenden diensthabenden Pflegekräften: „Herr P geht auf keinen Fall zu meiner Mutter hinein, auch wenn es ein Notfall ist.“ 

Herr P kann die Aussage nicht einordnen und wendet sich an die stellvertretende Pflegedienstleiterin Frau A. Er erfährt von ihr, dass Frau L bereits bei der Aufnahme von Frau O im Pflegeheim die Betreuung ihrer Mutter durch nicht-weiße Pflegekräfte abgelehnt habe. Sie sei darauf hingewiesen worden, dass das Team multikulturell sei und die Ausgrenzung einzelner Mitarbeiter_innen nicht in Frage komme.

Die Patientin, Frau O, ist seit dem lautstarken Auftritt ihrer Tochter Frau L sehr aufgewühlt und lehnt jegliche Pflege und Hilfeleistung durch Herrn P ab. Sie sagt, dass ihr seine Hautfarbe nicht passe und, dass Herr P kein Recht habe, in Österreich zu wohnen und zu arbeiten. Auf mehreren Zetteln, die im Zimmer verbreitet sind, ist das Wort „N.“ zu lesen. Frau L beleidigt Herrn P mit den Worten: “Was macht dieser Schwarze schon wieder hier?“ 

Herr P meldet die Vorfälle seinen Vorgesetzten. Man schlägt ihm einen Stationswechsel in einen anderen Stock vor. Herr P gewinnt zunehmend den Eindruck, dass man ihn nicht ausreichend unterstützt, sondern er selbst als das Problem betrachtet wird. 

Herr P wendet sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW), die in einem Schreiben an den Geschäftsführer auf dessen Fürsorgepflicht für seine Mitarbeiter_innen und die Notwendigkeit wirksamer Abhilfe hinweist.  Der Geschäftsführer lässt sich daraufhin über die Vorfälle informieren und veranlasst eine Besprechung, an der Herr P, seine Vorgesetzten sowie der Betriebsrat teilnehmen. Frau L wird zu einem Gespräch mit der Heimleitung geholt und über Konsequenzen bei weiteren Vorfällen informiert. Herrn P wird zugesichert, dass er sich jederzeit bei Führungskräften oder Betriebsrat Unterstützung holen kann. Schlussendlich erhält Herr P eine Ehrenurkunde, in der sich die Pflegedienstleitung bei ihm für seine herausragenden Leistungen und seine einfühlsame und aufmerksame Art bedankt. 

Hintergründe

Belästigungen, wie in diesem Fall rassistisch motiviert, müssen Arbeitnehmer_innen nicht dulden. Gem. §  Abs.  Z  GlBG haben Arbeitgeber_innen die Verpflichtung, Mitarbeiter_innen vor Belästigungen zu schützen, auch wenn diese von Kund_innen oder Geschäftspartner_innen erfolgen. Sie haben nach dem GlBG die Verpflichtung wirksame Abhilfe zu schaffen. Auf welche Weise dies geschieht, müssen Arbeitgeber_innen abwägen. Ziel ist jedenfalls ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld zu gewährleisten.

Die GAW wird häufig mit der Tatsache konfrontiert, dass bei wiederholten oder länger andauernden Belästigungssituationen die Bereitschaft der Verantwortlichen abnimmt, sich um eine dauerhafte und wirksame Lösung zu bemühen. In den meisten Fällen wird die betroffene Person als Ursache der Schwierigkeiten gesehen, die man vom Arbeitsplatz zu entfernen versucht, damit sich die Situation wieder beruhigen kann.

Betroffene haben Anspruch auf Schadenersatz für die erlittene persönliche Beeinträchtigung gegenüber der belästigenden Person. Wenn das Unternehmen oder die Organisation die betroffene Person nicht ausreichend vor weiteren Belästigungen schützt, besteht zusätzlich ein Schadenersatzanspruch für das Unterlassen der Abhilfe. Die GAW setzt sich regelmäßig dafür ein, dass den Betroffenen Schadenersatz als Ausgleich für die Diskriminierungen geleistet wird. 

Die GAW fordert eine Erhöhung der Mindestschadenersatzgrenzen im GlBG. Betroffene erhalten im Klagsfall oft einen sehr geringen Betrag, der nicht gewährleistet, dass das Unternehmen oder Belästigter_innen von diesem Verhalten zukünftig Abstand nehmen. Die europarechtliche Vorgaben verlangen, dass Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen (Siehe Art.15 der RICHTLINIE 2000/43/EG DES RATES vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft).

Österreich verzeichnet Rassismus in einem hohen Ausmaß 

Die GAW bearbeitete Fälle/Dokumentationen/Rechtsauskünfte von Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit. 

People of Colour (People of Color: ist eine internationale Selbstbezeichnung von/für Menschen mit Rassismus Erfahrungen; er stellt eine Abgrenzung gegen diskriminierende Fremdbezeichnungen durch die weiße Mehrheitsgesellschaft dar) sind laut Wahrnehmung der GAW auf der einen Seite  mit offensichtlichem Rassismus, mit Belästigungen, Beschimpfungen, Vorurteilen und Unterstellungen („schwarzer N.“, „Prostituierte“, „Drogenhändlerin“, „Betrüger“) am Arbeitsplatz konfrontiert. Auf der anderen Seite kämpfen sie mit subtileren Formen durch schlechtere Arbeitsbedingungen, verwehrtem beruflichen Aufstieg oder schlechterer Bezahlung. Anfragen wegen Diskriminierungen gibt es auch häufig bei der Wohnungssuche und beim Einlass in Lokalen und Geschäften.

Im europäischen Vergleich erfahren Menschen in Österreich aufgrund ihrer nicht-weißen Hautfarbe  besonders häufig Diskriminierungen, wie die Befragung „Being Black in the EU“ (FRA, Being Black in the EU, 2018 [17.06.2020]) der Europäischen Grundrechteagentur aufzeigt: Rassistischen Belästigungen waren demnach im europäischen Schnitt knapp 30 % der Befragten ausgesetzt – in Österreich waren es 37 %! Der Anteil derer, die von polizeilichen Kontrolle auf Basis ihrer ethnischen Zugehörigkeit ausgingen, war mit 66 % in Österreich besonders hoch. Überdurchschnittlich häufig wurden Diskriminierung bei der Suche nach einem Arbeitsplatz angegeben: Gemeinsam mit Italien landete Österreich mit 36 % auf dem vorletzten Platz. Zusätzlich verzeichneten die Befragten bei der Wohnungssuche massive Probleme: 37 % der Befragten gaben an, aufgrund ihrer Herkunft als Mieter abgelehnt worden zu sein. 

Dieser Befund deckt sich auch mit einer Studie über Diskriminierungserfahrungen in Österreich, die im Auftrag der Arbeiterkammer durchgeführt wurde (Schönherr / Leibetseder / Moser / Hofinger, Diskriminierungserfahrung in Österreich (2019), 2. Wien).

Fazit

In Österreich tragen Menschen mit nicht weißer Hautfarbe ein hohes Risiko diskriminiert zu werden. Die Auswirkungen werden von den Betroffenen in bestimmten Lebensbereichen als besonders schwerwiegend wahrgenommen. Dies ist der Fall, wenn sie ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet sehen, weil sich die Diskriminierungen am Arbeitsplatz ereignen. Darüber hinaus, wenn Diskriminierungen von staatlichen Akteuren wie Schule oder Polizei ausgehen und bei den Personen ein Gefühl der Machtlosigkeit verursacht wird. Aber auch im Wohnbereich empfinden Betroffene Rassismus, etwa durch Nachbar_innen, als besonders verstörend, trifft dieser sie doch in ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich.

Betroffene können sich gegen Diskriminierungen wehren, indem sie sich u.a. an die GAW wenden, die sich für die Durchsetzung der Rechte im Einzelfall einsetzt. Im vorliegenden Fall konnte die Fürsorgepflicht eingefordert werden, und Herr P wurde für seine Arbeit sogar explizit gewürdigt. Frau L wird zu einem Gespräch mit der Heimleitung geholt und über Konsequenzen bei weiteren Vorfällen nachdrücklich hingewiesen. 

Strukturelle Diskriminierungen können aber nicht nur über den Einzelfall bekämpft werden. Die GAW setzt sich daher in ihrer Bildungs- und Informationsarbeit für ein besseres Verständnis für diskriminierende Strukturen ein. Mit vielfältigen Angeboten richtet sich die GAW an Führungskräfte, Dienstleistungsanbieter_innen, Bildungseinrichtungen und politische Akteur_innen, mit dem Ziel diskriminierende Mechanismen aufzuzeigen, auf die rechtlichen Rahmenbedingungen hinzuweisen und präventive Maßnahmen zu entwickeln.

Im Hinblick auf das hohe Ausmaß und die Intensität, mit der die Betroffenen Rassismus erleben, ist über die Arbeit einzelner Akteur_innen hinaus, ein noch viel weitgehender Ansatz notwendig. Die GAW spricht sich für einen umfassenden nationalen Aktionsplan gegen Rassismus aus, mit dem sich sämtliche staatliche Akteur_innen verpflichten, wirksame und nachhaltige Maßnahmen im Kampf gegen Rassismus in ihrem Bereich zu entwickeln und umzusetzen.