Sexuelle Belästigung im Praktikum: Von der Bedeutung, Fehler anzuerkennen
In vielen Fällen, mit denen sich die Gleichbehandlungsanwaltschaft befasst, kommt es nach Belästigungen zu weiteren Eskalationen. Dies ist für Betroffene oft kräftezehrend und mitunter kostspielig, weil Personen nicht bereit sind, die durch ihr Verhalten verursachte Verletzung anzuerkennen. Dieser Fall zeigt jedoch, dass ein Vorfall konstruktiv abgeschlossen werden kann, wenn eine Person die Verantwortung für ihr Fehlverhalten übernimmt.
Vorfall: Praktikantin durch langjährigen Angestellten sexuell belästigt
Frau Y war als Praktikantin in der IT-Abteilung eines Unternehmens tätig, in welchem Herr X schon lange beschäftigt war. Bereits zu Beginn des Praktikums kam es zu mehreren Grenzverletzungen:
Herr X holte Frau Y in ihrem Büro für ein Meeting ab. Als sie am Gang auf die anderen Kollegen warteten, fragte er sie, ob sie beim Friseur gewesen sei, da ihre Haare so schön seien – und streichelte ihr mit der Hand über die Haare.
Als sie zusammen den Korridor in Richtung Meetingraum entlanggingen, blieb Herr X kurz vor ihr stehen, so dass sie nebeneinander gingen. Er legte kurz seine Hand an ihre Taille. Frau Y fühlte sich unwohl, sprachlos, überholte ihn und ging weiter.
Noch vor der Treppe vor dem Besprechungszimmer, kam es zu einer erneuten Berührung: Herr X streichelte ihr ein zweites Mal über die Haare. Frau Y geriet in Panik und ging voraus.
Nach dem Wochenende meldete Frau Y den Vorfall, es wurde eine Aktennotiz gefertigt. Der persönliche Kontakt zu Herrn X wurde danach unterbunden. Trotzdem blieb die seelische Belastung: Frau Y nahm psychotherapeutische Hilfe in Anspruch und spürte in der Zusammenarbeit mit Männern noch lange Verunsicherung. Sie wandte sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft.
Rechtliche Hintergründe
Sexuelles Belästigung nach dem GlBG umfasst jedes Verhalten, das der sexuellen Sphäre zugeordnet werden kann
Nach dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) ist sexuelle Belästigung verboten (§ 6 GlBG). Sexuelle Belästigung im Sinne dieses Gesetzes ist jedes Verhalten, das der sexuellen Sphäre zugehörig ist, die Würde der betroffenen Person verletzt und mit dem ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Arbeitsumfeld geschaffen wird.
Die geschilderten Verhaltensweisen – wiederholte Berührungen an den Haaren und die Berührung an der Taille – erfüllen die Tatbestandsmerkmale von sexueller Belästigung.
Frau Y hat Anspruch auf Schadenersatz. Der Ersatz für den durch die Würdeverletzung entstandenen immateriellen Schaden liegt nach § 12 Abs. 11 GlBG bei mindestens EUR 1.000.
Reaktion und Lösung
Auf das Schreiben der Gleichbehandlungsanwaltschaft hin zeigte Herr X Einsicht und übernahm Verantwortung: Er entschuldigte sich ausdrücklich bei Frau Y, betonte, dass ihm nicht klar gewesen war, welche Konsequenzen sein Verhalten für sie und ihre Psyche gehabt hatte. Weiters hatte er Coachings absolviert, um den Vorfall zu reflektieren. Da er in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage war, leistete er 2.000 Euro Schadenersatz als Vergleich.
Herrn X‘ Entschuldigung, sein Eingeständnis des Fehlverhaltens sowie die finanzielle Anerkennung – mit welcher er verdeutlichte, dass er verstand, dass sein Verhalten einen Schaden angerichtet hatte – halfen ihr maßgeblich, nun gut mit der Sache abschließen zu können. Frau Y fühlte sich merklich entlastet.
Fazit: Sexuelle Belästigung muss ernst genommen werden
Dieser Fall zeigt: Wenn Personen, welche eine belästigende Handlung gesetzt haben, Einsicht zeigen, Verantwortung übernehmen und zu einem fairen Ausgleich bereit sind, kann zeitnah eine gute Lösung erzielt werden und ein adäquater Ausgleich erreicht. Auch die Übernahme von Verantwortung durch die Arbeitgeber:innen ist entscheidend. Im Vorliegenden Fall setzte der Arbeitgeber durch das Kontaktverbot sofort Grenzen und vermittelte damit auch eine klare Botschaft an den Belästiger.
Gleichbehandlung, Schutz vor sexueller Belästigung und ein Arbeitsklima, in dem Grenzen geachtet werden, sind kein Luxus, sondern zentrale Voraussetzungen für ein respektvolles Miteinander.
Fälle wie dieser verdeutlichen: Anerkennen von Grenzüberschreitungen, aufrichtige Entschuldigungen und angemessene Entschädigung können kräftezehrende Verfahren vermeiden und zu einem konstruktiven Ausgang führen.