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Mutter nach Karenzrückkehr versetzt: Einvernehmliche Auflösung mit guter Abschlagszahlung erreicht
Fall des Monats März 2020

Vorfall und Unterstützung durch die Gleichbehandlungsanwaltschaft

Frau J ist seit Ende 2014 in einem großen Unternehmen als Accounting Managerin beschäftigt. Sie ist mit Freude und Engagement bei der Arbeit und erfüllt ihre Aufgaben stets zur vollen Zufriedenheit ihres Arbeitgebers. Nach der Geburt ihres Kindes Ende 2016 nimmt sie Elternkarenz nach dem Mutterschutzgesetz (MSchG) in Anspruch. Ihre Rückkehr ins Unternehmen ist mit Anfang 2018 vereinbart. Frau J meldet im Herbst 2017 ihren Wunsch, Elternteilzeit im Sinne des § 15h MSchG im Ausmaß von 30 Wochenstunden in Anspruch nehmen zu wollen. Dies wird ihr verweigert mit der Begründung, dass man keine Verwendung für sie für nur 30 Stunden habe. Sie beharrt auch weiterhin auf ihrem Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung nach dem MSchG und schließlich wird ihrem Wunsch nachgekommen. Zugleich teilt man ihr jedoch mit, dass man ihre Karenzvertretung, Herrn M, unbefristet und in Vollzeit angestellt habe und sein Dienstverhältnis nicht beenden wolle. Die Ausübung ihrer Position als Accounting Managerin sei aus Sicht des Unternehmens in Teilzeit nicht möglich. Zudem benötige man von ihr Flexibilität hinsichtlich ihrer Arbeitszeit. Diese sei durch die Tatsache, dass sie nunmehr Mutter ist, nicht gegeben. Daher soll Frau J künftig auf eine Stelle als „Allrounderin“ versetzt werden, die sich aus Tätigkeiten der Buchhaltung, des Datenschutzes und des Controllings zusammensetzt. Diese Tätigkeiten wären bei weitem weniger anspruchsvoll als ihre Position als Accounting Managerin und würden für Frau J einen bedeutenden Nachteil in ihrer Karriereentwicklung bedeuten. Frau J richtet daher ein Schreiben an ihren Arbeitgeber, in dem sie erklärt, die ihr zugewiesene Stelle nur unter Protest anzutreten.

Sie wendet sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW), um sich beraten zu lassen. Die Gleichbehandlungsanwältin berät Frau J über ihre rechtlichen Möglichkeiten und interveniert bei ihrem Arbeitgeber. Frau J ist gestärkt durch die Beratung und weiß, was ihre Rechte und Möglichkeiten sind. Es kommt zu einem Gespräch mit dem Geschäftsführer. Sie möchte eine einvernehmliche Auflösung mit einer guten Abschlagszahlung. Schließlich einigt sie sich mit ihrem Arbeitgeber auf ein Jahresgehalt mit 14 Monatsentgelten als Abschlagszahlung, was etwa EUR 59.400,- brutto, nach Tarif versteuert, ergibt. Frau J ist zufrieden und erleichtert. Sie ist bereits in Verhandlungen für einen neuen Job in Teilzeit, der für sie interessanter und spannender ist.

Hintergründe

Elternkarenz: Keine Änderung des Arbeitsvertrages!

Eine Elternkarenz führt keine Änderung des Arbeitsvertrages herbei. Daher sind Arbeitgeber:innen verpflichtet, wiedereingestiegene Arbeitnehmer:innen in der vertraglich vereinbarten und tatsächlich ausgeübten Tätigkeit weiter zu beschäftigen (vgl OGH Rechtssatz RS0070881). Der Dienstvertrag zwischen Frau J und ihrem Arbeitgeber sieht ihre Verwendung als Accounting Managerin vor. Zudem enthält er das Recht des Arbeitgebers, den Aufgabenbereich der Dienstnehmerin nach Maßgabe der betrieblichen Notwendigkeiten zu ändern – dies jedoch ausschließlich im „zumutbaren Rahmen“ und unter Berücksichtigung der Fähigkeiten und der Ausbildung der Dienstnehmerin. Dabei muss darauf geachtet werden, dass eine solche Versetzung nach dem MSchG nicht GlBG zuwiderläuft – dieses stellt zwingendes Recht dar und darf vertraglich nicht eingeschränkt werden.

Frau J hat seit Beginn ihres Dienstverhältnisses zwei Studien absolviert, darunter einen LL.M in Steuerrecht. Die geplanten Tätigkeiten einer „Allrounderin“ entsprechen damit weder der vereinbarten Verwendung, noch den Fähigkeiten und der Ausbildung von Frau J. Bei Erfüllung der übrigen gesetzlichen Anforderungen besteht ein Elternteilzeitanspruch bei jeder Art von Tätigkeit - auch in Führungspositionen und somit auch für die von Frau J vor ihrer Karenz ausgeübte Tätigkeit als Accounting Managerin. Es wurde auch von der Rechtsprechung bestätigt, dass die vertragliche Vereinbarung dies nicht unterlaufen kann (vgl oben genannten Rechtssatz des OGH).

Rückkehr nach der Karenz – babyleicht(er), wenn der Vater auch in Karenz geht

Der Wiedereinstieg nach einer Elternkarenz gestaltet sich oftmals nicht so leicht, wie die Beratungspraxis der GAW zeigt. Die Arbeiterkammer hat im Rahmen ihres Wiedereinstiegsmonitoring bereits vier Studien zu dem Thema veröffentlicht, zuletzt 2019. Eine wesentliche Erkenntnis ist, dass die Chance auf einen Wiedereinstieg der Frauen bis zum 2. Geburtstag des Kindes deutlich größer ist, wenn auch der Vater in Karenz geht. Allerdings gehen lediglich 3 Prozent der Väter in Partnerschaften länger als 3 Monate in Karenz. Die Väterbeteiligung ist zwar sehr stark gestiegen, aber die meisten Väter unterbrechen ihre Arbeit nur sehr kurz. Hier sind sowohl „role models“ als auch ein Umdenken und eine Flexibilität der Unternehmen gefordert. In diesem Zusammenhang ist die geplante Teilnahme Österreichs an der nächsten Zeitverwendungsstudie des EU-Statistikamts EUROSTAT von großer Bedeutung. Diese kann Aufschlüsse über die Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, über den Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen sowie über Zugangschancen zu Erwerbsarbeit bieten - und damit Grundlagen für Um- und Neustrukturierungen. Elternkarenz, der Wiedereinstieg danach und die Inanspruchnahme von Elternteilzeit sind typische Merkmale weiblicher Erwerbsbiografien und betreffen Frauen daher in einem erhöhten Ausmaß. Eine verschlechternde Änderung der Tätigkeit nach dem Wiedereinstieg und im Zusammenhang mit der Elternteilzeit ist daher geeignet, eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und/oder beim beruflichen Aufstieg darzustellen (§ 3 Z 5, 6 GlBG).

Wiedereinsteiger:innen vom Gleichbehandlungsgesetz geschützt

Das Gleichbehandlungsgesetz schützt u.a. Wiedereinsteiger:innen und Personen in Elternkarenz und Elternteilzeit. Diese Personen dürfen nicht wegen ihrer Karenz, ihrer Rückkehr aus der Karenz oder ihrer Elternteilzeit und damit der Tatsache, dass sie Kinder haben, diskriminiert werden. Jede Benachteiligung, die ihren Grund in der Elternkarenz/Elternteilzeit eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin hat, ist verboten und begründet einen Anspruch auf Bekämpfung einer etwaigen Verschlechterung zB durch eine verschlechternde Versetzung und/oder einen Schadenersatzanspruch.
Im Fall von Frau J bedeutet dies, dass sie aus gleichbehandlungsrechtlicher Sicht Anspruch auf ihren vorherigen oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz hat. Eine Abweichung von diesem Grundsatz ist unter Umständen möglich, muss aber sachlich begründet sein und kann ihren Grund gerade nicht aus der Tatsache, dass die Arbeitnehmerin ein Kind bekommen hat und daraus Dispositionen wie Karenz oder Teilzeitregelungen notwendig sind, ergeben. Eine innerbetriebliche Umorganisation oder Umstellung kann nur eine sachliche Rechtfertigung sein, wenn diese einen tatsächlichen betrieblichen Grund haben und daher mehrere Arbeitnehmer:innen unabhängig von Karenz- oder Teilzeitfragen treffen würden. Ebenso ist die Tatsache, dass eine Ersatzarbeitskraft nicht als Karenzvertretung, sondern unbefristet angestellt worden ist, keine Rechtfertigung für eine Versetzung einer Wiedereinsteigerin an einen anderen Arbeitsplatz. Vielmehr kann dies ein Indiz für eine etwaige Diskriminierung sein, weil bereits klar ist, dass man die Arbeitnehmer:in aufgrund ihrer Karenzabwesenheit nicht mehr in ihren ursprünglichen Job zurückhaben will. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat dazu klar festgestellt, dass die Wiedereinsteigerin von Gesetz wegen Vorrang vor der Ersatzarbeitskraft hat (OGH 9 ObA 50/14i vom 25.6.2014).

Fazit

Vereinbarkeit – europäische Zusammenarbeit für mehr Bewusstsein und Prävention

Die GAW nimmt derzeit als Projektpartnerin an einem EU-Forschungsprojekt teil. Ziel des Projekts mit dem Namen Parents@Work ist es, zu analysieren, welchen Benachteiligungen Eltern am Arbeitsplatz aufgrund von Betreuungspflichten ausgesetzt sind. Solche Benachteiligungen können von einer Verschlechterung des Arbeitsklimas über die Zuteilung von minderwertigen Tätigkeiten bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes reichen. Hintergrund für solche Benachteiligungen sind – wie im Fall von Frau J - oft Vorurteile, wie etwa jenes, dass Mütter (und Väter) weniger produktiv oder weniger „flexibel“ seien. In der ersten Projektphase werden Interviews mit Betroffenen (ehemaligen Klient:innen der GAW) durchgeführt und ausgewertet, danach finden Workshops mit Unternehmensvertreter:innen und weiteren Stakeholdern statt. Schließlich sollen Materialien und Tools entwickelt werden, um in Unternehmen und Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit und Bewusstsein für die Thematik zu schaffen und so zur Prävention von konkreten Diskriminierung beitragen zu können. Weitere Informationen über dieses Projekt bekommen Sie auch über einen interessanten Newsletter.