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Antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit

Menschenrechtsinstitutionen und NGOs beobachten seit Jahren, dass Islamfeindlichkeit und Populismus in Politik und Medien zu einem Anstieg von antimuslimischen Übergriffen und Diskriminierungen führen. Zuletzt hat die Dokustelle Islamfeindlichkeit & antimuslimischer Rassismus nach den Terroranschlägen der Hamas im Oktober 2023 einen besorgniserregenden Anstieg von Meldungen verzeichnet.1

Begriffsdefinitionen

Islamfeindlichkeit beschreibt Feindschaft gegen, Stereotype über und Abwertung des Islams als Religion, seiner Einrichtungen und Symbole. 

Antimuslimischer Rassismus besteht in der Diskriminierung, Ausgrenzung, stereotypen Darstellung und Gewalt gegen Muslim:innen und Menschen, die für Muslim:innen gehalten werden. Die EU-Kommission spricht in ihrem EU-Aktionsplan gegen Rassismus 2020-2025 von einer Form des Rassismus, die mit der Religion in Verbindung steht. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) hat in ihrer Allgemeinen Politik-Empfehlung Nr. 5 ausgesprochen, dass Muslim:innen (und als solche gelesene Menschen) von „Rassifizierung“ betroffen sind: Sie werden aufgrund ihres Aussehens, religiöser oder kultureller Merkmale als „Andere“ konstruiert („Othering“).

Muslim:innen werden je nach Geschlecht unterschiedliche Eigenschaften zugeschrieben: Während Männer oft als gefährlich und patriarchal dargestellt werden, wird Frauen Passivität und Unterdrücktheit zugeschrieben. 

Diskriminierung in Zahlen

Studien und Umfragen zeigen auf, dass antimuslimischer Rassismus ein gesamteuropäisches Phänomen ist.2  Bei einer in Deutschland von CLAIM (Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit) durchgeführten Studie3  im Frühjahr 2023 gaben 78% der Befragten (Muslim:innen und als solche gelesene Personen) an, Diskriminierungserfahrungen und Übergriffe erlebt zu haben. Die gemachten Erlebnisse reichen dabei von Beschimpfungen, abwertenden Witzen und beleidigenden Kommentaren bis hin zu Ausgrenzung, Drohungen und körperlichen Angriffen. Europaweit gesehen machen Muslim:innen und muslimisch gelesene Personen am häufigsten Diskriminierungserfahrungen in der Arbeitswelt, im Bildungsbereich, auf dem Wohnungsmarkt und bei der Gesundheitsversorgung.4

Ähnliche Ergebnisse liegen auch für Österreich vor. Wie aus dem Antimuslimischen Rassismus Report der Dokumentations- und Beratungsstelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus für 2022 hervorgeht, zählen hier das Internet, der öffentliche Raum, der Bildungsbereich, der Bereich Güter und Dienstleistungen sowie die Arbeitswelt zu den häufigsten Orten des Geschehens.5 

In einer von der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) beauftragten Studie zeigte sich, dass (etwa aufgrund ihres Namens) muslimisch gelesene Personen vergleichsweise deutlich geringere Aussichten auf einen Besichtigungstermin bei Wohnungsvergaben haben und damit regelmäßig beim Zugang zu Wohnraum benachteiligt werden. Zusätzlich bestätigt wird diese Schlussfolgerung durch zweite weitere Testings6,7, die im selben Zeitraum voneinander unabhängig durchgeführt worden sind.

Diskriminierungen, Übergriffe und Bedrohungen wirken sich nicht nur auf die unmittelbar betroffenen Personen aus, sondern haben auf vielfältige Weise auch einen Einfluss auf das alltägliche Leben muslimischer Menschen und Gemeinschaften. So kann es etwa auch zu emotionalen und psychischen Auswirkungen führen, wie dem Gefühl sich in der Öffentlichkeit lieber nicht als Muslim:in zu zeigen, keine religiöse oder traditionelle Kleidung zu tragen, keine religiösen oder kulturellen Veranstaltungen zu besuchen oder sich nicht für öffentliche Ämter zu bewerben. Es kommt also zu einer Art Selbstzensur aus Angst vor Stigmatisierung und Angriffen.8 

Antimuslimischer Rassismus und Sexismus

Antimuslimischer Rassismus wird oft unter dem Vorwand von Kritik an Religion und traditionellen patriarchalen Ungleichheiten legitimiert, oft unter Berufung auf die Aufklärung oder unter Hinweis auf überkommene Geschlechterverhältnisse. Dabei wird vermeintlich „Fremdes und Rückschrittliches“ auf den Islam und Muslim:innen projiziert. Dies dient auch der Konstruktion einer scheinbaren eigenen kulturellen Überlegenheit. 

Wir beobachten in unserer Beratung, dass während die Ressentiments gegen Muslim:innen sich immer wieder auf die scheinbare Rückschrittlichkeit im Geschlechterverhältnis beziehen, es oftmals Frauen sind, die von Diskriminierung betroffen sind und aufgrund ihres Hidschāb (Kopftuchs) verbal oder körperlich attackiert und in ihrem beruflichen Fortkommen benachteiligt werden. Die Rechtsprechung wertet dies als eine Form von Mehrfach- bzw. intersektioneller Diskriminierung, bei der neben Religion auch Geschlecht und gegebenenfalls ethnische Zugehörigkeit eine Rolle spielen.

Rechtliche Schutzlücken

Was den Diskriminierungsschutz betrifft, bestehen nach wie vor rechtliche Schutzlücken. In den Bereichen außerhalb der Arbeitswelt sind nur Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit und einer Behinderung verboten. Religion und Weltanschauung sind in diesem Bereich vom Schutz ausgenommen.

Zwar zeigen der Aktionsplan gegen Rassismus 2020-2025 der EU-Kommission und die ECRI-Empfehlung Nr. 5  klar auf, dass antimuslimischer Rassismus zu einer „Rassifizierung“ von Muslim:innen führt.9 Daher ist die Anknüpfung an den Diskriminierungsgrund Ethnische Zugehörigkeit angezeigt. 

Dennoch wäre eine rechtliche Klarstellung und Harmonisierung des Gleichbehandlungsgesetzes („Levelling Up“) für Betroffene hilfreich und ist deshalb langjährige Forderung der GAW.

Underreporting 

Bei antimuslimischem Rassismus ist von einer großen Anzahl an Fällen auszugehen, die nicht gemeldet werden. Man spricht in diesem Zusammenhang von „underreporting“. Dies liegt unter anderem daran, dass Betroffene ihre Rechte nicht kennen oder nicht wissen, wohin sie sich wenden können. Oft fehlt es ihnen auch an den zeitlichen oder emotionalen Ressourcen, um den Diskriminierungen nachzugehen. Auch schlechte Erfahrungen mit oder Misstrauen gegenüber staatlichen Stellen können eine Rolle spielen.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) hat daher die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und anderen relevanten Stakeholder:innen in den letzten Jahren verstärkt. Am 8. März (Frauentag) 2024 setzen wir einen Schwerpunkt auf die Diskriminierung von Frauen, die Hidschāb tragen, und bieten einen neuen Folder zum Thema Diskriminierung aufgrund des Hidschāb an.

Die Regionalbüros der GAW ermöglichen eine persönliche Vernetzung und Anbindung mit den relevanten regionalen Stakeholder:innen vor Ort. Positiv hervorzuheben sind auch diverse Projekte und Entwicklungen auf europäischer Ebene und in den einzelnen Mitgliedstaaten, welche wichtige Erkenntnisse auch für die Antirassismusarbeit in Österreich liefern. Erwähnenswert ist etwa der Leitfaden von ECCAR (European Coalition of Cities Against Racism) über lokale Maßnahmen gegen antimuslimischen Rassismus, der eine Brandbreite an diesbezüglichen Projekten in den einzelnen Mitgliedsstaaten mit damit in Verbindung stehenden Handlungsempfehlungen beinhaltet. 

Quellen und Verweise

1 Stellungname_Dokustelle_OE_6.11.2023.pdf
2 ODIHR: Responses to Anti-Muslim Hate Crimes | OSCE
3 231205_claim_erfahrungen-und-umgangsstrategien-von-betroffenen-von-antimuslimischem-rassismus.pdf (claim-allianz.de)
4 Faith in Equality: Religion and Belief in Europe (equineteurope.org)
5 Dokustelle-Report-2022.pdf
6 Rassismus bei der Wohnungssuche: Franziska bekommt die Wohnung, Muzayen nicht - Bauen & Wohnen - derStandard.at › Immobilien
7 Er heißt Mohammed Ahmad und hat es am Wohnungsmarkt am schwersten - Mieten - derStandard.at › Immobilien
8 ODIHR: Responses to Anti-Muslim Hate Crimes | OSCE
9 ECRI revised General Policy Recommendation No. 5 - European Commission against Racism and Intolerance (ECRI) (coe.int)

Zum Autor des Blogeintrags

Mag. Hüseyin Güneş, MA ist Gleichbehandlungsanwalt in der Zentrale der Gleichbehandlungsanwaltschaft in Wien. Sein gewählter Schwerpunkt während des Studiums der Rechtswissenschaften war „Legal Gender Studies und Antidiskriminierungsrecht“. Zudem hat er islamische Theologie studiert. Hüseyin Güneş schreibt und forscht zum Thema Rassismus (vor allem antimuslimischen Rassismus), Religionsfreiheit und interkulturelle Mediation. 

Zuletzt aktualisiert am 5. März 2024