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„Diskriminierung“ aufgrund des COVID-Impfstatus?

Seit fast zwei Jahren hält uns die COVID-Pandemie schon in Atem und verstärkt (wie schon frühere Krisen) gesellschaftliche Verwerfungen und Ungleichheiten. Dies betrifft die berufliche und familiäre Situation von Frauen genauso wie die Startposition junger Menschen, die in den letzten Jahren massive Bildungs- und Ausbildungsnachteile erfahren haben.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) nahm auch zunehmend rassistische Diskurse wahr, die die Schuld an der Pandemie bestimmten Gruppen zuwiesen. So waren es am Anfang Rassismen gegen „Chines:innen“ als Auslöser:innen des Virus, gefolgt von den Behauptungen, dass Asylwerber:innen und  Reiserückkehrer:innen aus Migrationsländern die Treiber:innen des Pandemiegeschehens seien.

Zudem werden bei Protesten gegen die Anti-COVID-Maßnahmen immer wieder antisemitische Feindbilder bedient. Dabei werden sogar Vergleiche und Gleichsetzungen der Maßnahmen mit dem Holocaust gezogen. Die GAW tritt entschieden jeglicher Verharmlosung der Shoah durch derartige Vergleiche entgegen.

Der Lockdown für Ungeimpfte, die Eintrittsregeln und schließlich die Ankündigung und Einführung der Impfpflicht führten zu einem Anstieg der Anfragen an die GAW zu diesen Themen. Die anfragenden Personen fühlen sich zum Beispiel beim Zutritt zu einem Restaurant, Geschäft oder im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis zu Unrecht eingeschränkt, weil sie nicht geimpft sind.

Ist hier das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) anwendbar?

Das Gesetz entfaltet seinen vollen Schutz in der Arbeitswelt. Hier sind Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung verboten. Beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen bietet das GlBG nur Schutz vor Diskriminierung auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit und des Geschlechts.

Der Impfstatus an sich ist kein geschütztes Merkmal nach dem GlBG und daher kein gesetzlich verbotener Unterscheidungsgrund. Die Überzeugung, nach der Impfungen, deren Sinnhaftigkeit oder Wirksamkeit abgelehnt werden, stellt meist eine punktuelle Kritik zu einem einzelnen politischen Thema dar. Nach der Rechtsprechung entspricht sie daher nicht den Anforderungen des Begriffs der Weltanschauung.

Auch jüngst hat der OGH diese Rechtsmeinung zum Begriff Weltanschauung bestätigt: Eine kritische Haltung zu COVID-19-Maßnahmen ist ebenso wenig eine Weltanschauung im Sinne des Gesetzes wie von Arbeitnehmer:innen vertretene kritische Auffassungen über die derzeitige Asylgesetzgebung und -praxis in Österreich oder allfällige punktuelle Kritik an personellen Missständen.

Der Begriff „Weltanschauung“ ist laut Gesetzesmaterialien eng mit dem Begriff „Religion“ verbunden. Er dient als Sammelbezeichnung für alle religiösen, ideologischen, politischen, und ähnlichen Leitauffassungen vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen sowie zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standortes für das individuelle Lebensverständnis. Weltanschauungen sind keine wissenschaftlichen Systeme, sondern Deutungsauffassungen in der Form persönlicher Überzeugungen von der Grundstruktur, Modalität und Funktion des Weltganzen.

Meinungen, die strafrechtlich verboten sind, etwa weil sie unter das Verbotsgesetz fallen, sind zudem selbstverständlich nicht vom Schutz des GlBG erfasst.

Wenn auf Grund einer Behinderung (etwa einer chronischen Krankheit) oder des Geschlechts (insbesondere im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft) zwingende medizinische Gründe gegen eine Impfung sprechen, kann bei Einschränkungen ein Schutz des GlBG oder des Behindertengleichstellungsgesetzes vorliegen.

Die gesetzliche Impfpflicht selbst sowie mögliche Zugangsbeschränkungen, etwa zu Freizeiteinrichtungen, für Ungeimpfte, ohne die oben genannten Gründe (Geschlecht, Behinderungen) können nicht mit den Mitteln des GlBG aufgegriffen werden. Derartige Anfragen kann die GAW daher nicht weiterverfolgen. Betroffene Personen werden gegebenenfalls an andere Beratungseinrichtungen weiterverwiesen. Denkbar ist auch ein grundrechtliches Verfahren innerhalb des demokratischen Rechtsstaats anzustreben.  

Der GAW war es ein Anliegen, potentielle grundrechtliche Problemstellungen bei der Umsetzung der Impfpflicht zu thematisieren. Sie gab daher eine Stellungnahme zur gesetzlichen Regelung über die Impfplicht ab. Die GAW hat auf viele ungeklärte arbeitsrechtliche Problemstellungen in diesem Zusammenhang hingewiesen.