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Rassismus gegen Rom:nja und Sinti:zze

Rom:nja und Sinti:zze bilden mit einer Bevölkerung von 10 bis 12 Millionen Menschen die größte ethnische Minderheit Europas. Trotz des EU-weiten Verbots von Diskriminierung sind sie nach wie vor von Rassismus und sozialer Ausgrenzung betroffen.

Die Europäische Kommission hat im Jahr 2020 zum zweiten Mal ein Rahmenprogramm für nationale Strategien zur Integration von Rom:nja vorgestellt. Dessen Schwerpunkte umfassen die Bekämpfung von Rom:njafeindlichkeit, die Stärkung von Roma-Frauen (Romnja) und -Jugendlichen sowie die Stärkung der organisierten Zivilgesellschaft und die Förderung einer verbesserten Teilhabe der Volksgruppe.

Fortschritte und Herausforderungen in Österreich

2021 wurde die nationale Rom:nja-Strategie in Österreich aktualisiert und der EU-Kommission vorgelegt. Dennoch spielt Rom:njafeindlichkeit auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Erscheinungsformen weiterhin eine bedeutende Rolle.

Gemäß der Sensiro-Studie zur Bewertung der österreichischen nationalen Strategie zur Inklusion der Rom:nja bis 2020 stellen Diskriminierung und Rom:njafeidlichkeit bestimmende Faktoren im Leben von Rom:nja und Sinti:zze  in Österreich dar. Die häufigsten Gründe für eine ungleiche Behandlung sind ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe und Migrationshintergrund. Die Umstände, in denen diese Diskriminierung stattfindet, umfassen Straßensituationen, den Umgang mit Behörden, Bildungseinrichtungen und die Jobsuche. Ebenso wurden Gesundheits- und Wohnbereiche wiederholt als von Diskriminierung betroffene Sektoren benannt.

Rom:njafeindlichkeit manifestiert sich nach der auch von der österreichischen Bundesregierung seit 2021 anerkannten Arbeitsdefinition von Antiziganismus der IHRA (International Holocaust Remembrance Alliance) „… in individuellen Äußerungen und Handlungen sowie institutionellen Politiken und Praktiken der Marginalisierung, Ausgrenzung, physischen Gewalt, Herabwürdigung von Kulturen und Lebensweisen von Sinti und Roma sowie Hassreden, die gegen Sinti und Roma sowie andere Einzelpersonen oder Gruppen gerichtet sind, die zur Zeit des Nationalsozialismus und noch heute als [„Z-Wort“, Ersetzung durch die Autorin] wahrgenommen, stigmatisiert oder verfolgt wurden bzw. werden. Dies führt dazu, dass Sinti und Roma als eine Gruppe vermeintlich Fremder behandelt werden, und ihnen eine Reihe negativer Stereotypen und verzerrter Darstellungen zugeordnet wird, die eine bestimmte Form des Rassismus darstellen."

Zu den zentralen negativen Stereotypen und verzerrten Darstellungen, die den Rom:nja und Sinti:zze zugeschrieben werden, und die als Kern der rom:njafeindlichen Vorurteilsstruktur gelten, gehören laut dem Politikwissenschaftler Markus End der "Sinngehalt der Nicht-Identität", die Vorstellung eines "parasitären, schmarotzenden Lebensstils" sowie eine "umfassende Sorg- und Disziplinlosigkeit" (Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V., Antiziganismus - Rassistische Stereotype und Diskriminierung von Sinti und Roma (2014) S. 10 und 11).

Die „Sensiro"- Studie zeigt zudem , dass das Problem der Rom:njafeindlichkeit oft so verstanden wird, als ob es nicht von der Mehrheitsgesellschaft erzeugt werde, sondern dass die Betroffenen selbst in irgendeiner Form dafür verantwortlich sind. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit struktureller Veränderungen. Es gelte daher nicht nur, das Selbstbewusstsein der Volksgruppe zu stärken und Vorurteile in der Bevölkerung zu bekämpfen, sondern auch die bestehenden Strukturen zu ändern und das Bewusstsein der Mehrheitsgesellschaft zu schärfen.

Schutz vor Diskriminierung und Recht auf Gleichbehandlung

Das Gleichbehandlungsgesetz gewährt den umfassendsten Schutz gegen Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit. Neben dem privatwirtschaftlichen Arbeitsbereich untersagt das GlBG bei diesem Merkmal auch Diskriminierung in den Bereichen Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, Wohnraum, Bildung und Sozialschutz.

Underreporting von rom:njafeindlichen Vorfällen

Ein herausforderndes Problem besteht jedoch darin, dass nur sehr wenige Fälle von Rom:njafeindlichkeit gemeldet werden. Dieses Phänomen wird als Underreporting bezeichnet. Die Ergebnisse der „Sensiro"-Studie zeigen, dass der Grund vielmehr in schlechten Erfahrungen mit und Ängsten vor Behörden, mangelndem Wissen, fehlenden Sprachkenntnissen und einer generellen Skepsis gegenüber öffentlichen Stellen liegt. Zudem zögern viele Rom:nja und Sinti:zze, sich als solche zu erkennen zu geben.

Die Rolle der Gleichbehandlungsanwaltschaft

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft bietet kostenlose, unabhängige und vertrauliche Rechtsberatung. Wir dokumentieren alle gemeldeten rassistischen Vorfälle. Wir besprechen gemeinsam mit den Menschen, die sich an uns wenden, wie es weitergehen kann und welche rechtlichen Schritte sinnvoll sind. Wenn es notwendig ist, stellen wir kostenlos Dolmetscher:innen zur Verfügung.

Um dem Underreporting entgegenzuwirken, hat die Gleichbehandlungsanwaltschaft ihre Vernetzung mit der Zivilgesellschaft und relevanten Stakeholder:innen verstärkt. Es ist von entscheidender Bedeutung, Diskriminierung in vollem Umfang sichtbar zu machen, um gezielte Maßnahmen setzen zu können und die Sensibilisierung der Bevölkerung zu fördern.

Fazit

Im Vorfeld des Internationalen Tages gegen Rassismus (21. März) ist es von großer Bedeutung, darauf hinzuweisen, dass die konsequente Umsetzung des EU- Aktionsplans gegen Rassismus einen entscheidenden Schritt in die richtige Richtung darstellen würde. Obwohl die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten ermutigt hat, eigene nationale Aktionspläne bis Ende 2022 zu verabschieden, steht die endgültige Umsetzung in Österreich noch aus.

Es ist dabei unerlässlich, dass die Thematik der Rom:njafeindlichkeit angemessen in den nationalen Aktionsplan integriert wird. Die Monitoringberichte der Romnja-Zivilgesellschaft (zum Jahresbericht 2020 (romano-centro.org)) und die „Sensiro"-Studie unterstreichen eindeutig, dass die bestehenden nationalen Strategien zur Inklusion nicht in der Lage sind, einen spezifischen Aktionsplan gegen Rassismus zu ersetzen. Ein solcher Aktionsplan würde darauf abzielen, die Strukturen der Mehrheitsgesellschaft und Institutionen zu verändern, um eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen. Dieser Ansatz beruht nicht auf der Annahme, dass Integration allein die Verantwortung der Integrierenden ist, sondern erkennt vielmehr die existierenden strukturellen Barrieren an, die überwunden werden müssen.

Zur Autorin des Blogeintrags

Mag.a Sofija Lazić, Verwaltungspraktikantin in der Zentrale der Gleichbehandlungsanwaltschaft in Wien, hat sich während ihres Studiums der Rechtswissenschaften mit dem Judentum aus einer rechtshistorischen Perspektive auseinandergesetzt. In der Gleichbehandlungsanwaltschaft gilt ihr Interesse insbesondere der Vernetzung mit zivilgesellschaftlichen Organisationen von Rom:nja und Sinti:zze.