Anti-Asiatischer Rassismus
Anti-asiatischer Rassismus wurde während der Corona-Pandemie vermehrt in der österreichischen Öffentlichkeit diskutiert. Diese Form des Rassismus blickt auf eine lange Geschichte in der westlichen Welt zurück. In diesem Blog-Beitrag erklären wir, was anti-asiatischer Rassismus ist und in welchen Formen er sich zeigen kann.
Wer ist von anti-asiatischem Rassismus betroffen?
Asien ist der größte und bevölkerungsreichste Kontinent der Welt und umfasst 47 Staaten sowie ca. 2.300 verschiedene Sprachen, vielfältige Religionen, Ethnien und Kulturen. Der Begriff 'anti-asiatischer Rassismus' wird daher schon kritisiert, weil er den Eindruck vermittelt, man könne die Bevölkerung eines ganzen Kontinents zusammenfassen.[1] Wie unterschiedlich jedoch die Assoziationen mit dem Begriff Asien sind, wurde in einer deutschen Umfrage deutlich: 75 % der Befragten gaben an, dass sie Menschen aus China mit Asien in Verbindung bringen, 46 % nannten Japan, und 13 bis 15 % dachten bei Asien an Länder wie Thailand, Südkorea, Indien und Vietnam. Hingegen wurden westasiatische Länder wie der Iran von weniger als 2 % der Befragten mit Asien assoziiert. Stattdessen werden Menschen aus westasiatischen Regionen oft eher als muslimisch wahrgenommen.[2]
Während es für Personen aus den genannten westasiatischen Regionen oft eigene Bezeichnungen gibt (z.B. arabisch), werden Menschen aus dem ost- und südostasiatischen Raum häufiger unter dem Begriff Asiat:innen zusammengefasst.[3] Auch kommt es immer wieder vor, dass Personen, die gar nicht aus Asien kommen, wie z.B. indigene Personen aus Südamerika, als asiatisch wahrgenommen werden. Um diesen Prozess der Fremdzuschreibung sichtbar zu machen, wird heute häufig von asiatisch markierten Personen gesprochen.[4]
Anti-asiatischer Rassismus ist daher als politischer Begriff zu verstehen, der eben „nicht die tatsächliche geografische Lage, Religion oder Kultur der betroffenen Menschen beschreibt, sondern die Auswirkungen, die Betroffene erleben“.[5]
Wie zeigt sich anti-asiatischer Rassismus?
Anti-asiatischer Rassismus zeigt sich auf vielfältige Weise. Eine Besonderheit des anti-asiatischen Rassismus ist, dass er häufig mit vermeintlich positiven Stereotypen konnotiert ist. So werden asiatisch markierte Menschen etwa als 'Vorzeigemigrant:innen' dargestellt.[6] Zum Beispiel werden Ost- und Südostasiat:innen oft als 'gut integriert, strebsam, bildungsaffin und gesetzeskonform' beschrieben.[7] Obwohl diese Zuschreibungen scheinbar positiv sind, sind darin rassistische Mechanismen erkennbar. Diese führen dazu, dass Personengruppen kategorisiert und ihnen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden, um sie hierarchisch zu bewerten.[8] Solche Zuschreibungen werden oft dazu benutzt, andere Personengruppen herabzusetzen.[9] Smaran Dayal vergleicht in seinem Beitrag ‘Don’t be evil.’ Model minorities in colourblind ‘Schland die Darstellung der japanischen Diaspora in den USA im Jahr 1966 mit der vietnamesischen Diaspora in Deutschland im Jahr 2009, da beide ähnliche Muster aufweisen. Beide Gruppen werden zunächst als marginalisiert und rassistisch diskriminiert beschrieben, hätten aber danach soziale Hürden überwunden. Diese Erfolgsgeschichten sollten beweisen, dass (bei Migration) nicht gesellschaftliche Strukturen (oder gar Rassismus) das Problem seien, sondern individuelles Versagen. Diese Narrative dienten dazu, marginalisierte Gruppen wie BIPoC[10] in den USA und ehemalige Gastarbeiter:innen in Deutschland gegeneinander auszuspielen und zu hierarchisieren.[11] Außerdem erzeugt diese Stereotypisierung zusätzlichen Leistungsdruck bei den Betroffenen, denn je mehr sie die an sie gestellten Erwartungen erfüllen, desto mehr Akzeptanz erfahren sie von der Mehrheitsgesellschaft.[12]
Zudem kommt es häufig im Zusammenhang mit anti-asiatischem Rassismus zu unterschiedlichen diskriminierenden Merkmalszuschreibungen aufgrund des Geschlechts. Während Frauen aus Asien oft 'sexualisiert, exotisiert und infantilisiert' werden, erfahren asiatische Männer häufig eine 'Demaskulinisierung', indem ihnen Eigenschaften zugeschrieben werden, die in der Gesellschaft als weiblich gelten.[13]
Rassistische Klischees und Vorurteile gegenüber Asiat:innen sind bereits lange in der westlichen Kulturgeschichte verbreitet, wenn etwa im Filmgeschäft „Yellowfacing“ betrieben wurde: Dabei verkörperten weiße Schauspieler:innen eine klischeehafte Darstellung von Asiat:innen, indem sie ihre Augenform manipulierten, die Haut gelblich oder bräunlich schminkten, einen trippelnden Gang annahmen oder eine näselnd-lächerliche Aussprache (oft mit der Vertauschung von 'r' und 'l') praktizierten. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Filmklassiker 'Breakfast at Tiffany’s' (1961), in dem der Schauspieler Mickey Rooney den japanischen Charakter Mister Yunioshi darstellt.[14]
Im alltäglichen Leben kommt es immer wieder zu Vorfällen, in denen die oben erwähnten rassistischen Klischees wiederholt werden, dabei jedoch von nicht asiatisch markierten Personen oft nicht als rassistisch erkannt werden. Die Autorin Hami Nguyen berichtet beispielsweise von ihrem Unbehagen, als Kind in der Schule das Lied 'Drei Chinesen mit dem Kontrabass' zu lernen,[15] oder vom Gefühl, einen Job wegen vermeintlich positivem Rassismus zu bekommen, weil sie beim Bewerbungsgespräch mit einer früheren fleißigen chinesischen Mitarbeiterin verglichen und gleichgesetzt wurde.[16]
Anti-asiatischer Rassismus äußert sich auch in Form von Gewalt. Diese reicht von verbalen Angriffen über strukturelle Diskriminierung bis hin zu physischen Attacken.[17] Hier sind insbesondere die rassistischen Ausschreitungen in Hoyerswerda 1991 und Rostock-Lichtenhagen 1992 zu erwähnen, bei denen von Vietnames:innen bewohnte Gebäude von rechtsextremen Personen unter dem Applaus umstehender Menschen angegriffen wurden.[18] In Hoyerswerda wurden über 30 Personen verletzt,[19] während in Rostock-Lichtenhagen mehr als 100 Menschen nur knapp dem Tod entkamen.[20]
Anstieg von anti-asiatischem Rassismus in der Corona-Pandemie
Mit dem Beginn der Corona-Pandemie Anfang 2020 kam es verstärkt zu anti-asiatischen Übergriffen. Rassismus, der Asiat:innen für die Verbreitung von Krankheiten verantwortlich macht, steht im historischen Zusammenhang mit der kolonialen Vergangenheit Europas. Durch rassistische Zuschreibungen, wie dass Personen aus Asien 'dreckig' oder 'unhygienisch' seien, wurde diesen konstruierten Gruppen die Schuld an der Verbreitung von Viren gegeben.[21] Im 19. Jahrhundert betraf dies die Pest und im 20. und 21. Jahrhundert Infektionskrankheiten wie SARS und COVID-19. Dies war unter anderem in der medialen Berichterstattung zur COVID-19 Pandemie zu sehen: Beispielsweise wurden bei Bildern zu Berichterstattungen über Virusausbrüche in bestimmten Regionen Europas häufig Bildausschnitte mit asiatisch markierten Menschen verwendet.[22]
- Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM führte im November und Dezember 2020 eine große Online-Befragung durch. Dabei wurden über 700 Personen mit asiatischer Migrationsgeschichte zu ihren Erfahrungen mit anti-asiatischem Rassismus befragt. Die Untersuchung brachte folgende Ergebnisse: Eine Mehrheit (55%) teilte mit, im ersten Pandemiejahr von Rassismus betroffen gewesen zu sein.
- Am häufigsten fand die Diskriminierung im öffentlichen Raum statt (52 % auf der Straße, 51 % im öffentlichen Nahverkehr, 31 % in Geschäften).
- Nur ein kleiner Teil von 10 % (verbale Diskriminierung) bzw. 22 % (tätliche Angriffe) wurde bei einer Institution wie z.B. Polizei oder Beratungsstellen gemeldet.[23]
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft kann unterstützen
Anti-asiatischer Rassismus kann eine verbotene Diskriminierung im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes darstellen. Das Gesetz verbietet rassistische Diskriminierungen in den Bereichen Arbeitswelt, Zugang zu Gütern und Dienstleistungen sowie Wohnraum, Bildung und Sozialschutz.
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) berät in diesen Bereichen vertraulich und kostenfrei. Da das Melden eines Vorfalls oft nicht einfach ist, bietet die Gleichbehandlungsanwaltschaft auch eine Digitale Erstberatung an – schnell, anonym und kostenlos. Betroffene erhalten dabei sofort eine erste rechtliche Einschätzung und Infos zu Beratungsstellen. Im Rahmen einer persönlichen Beratung gibt die GAW eine rechtliche Einschätzung ab. Wird ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vermutet, besprechen die beratenden Gleichbehandlungsanwält:innen gemeinsam mit den Menschen, die sich an die GAW wenden, welche Vorgangsweise am besten passt und welche rechtlichen Schritte sinnvoll sind. Die Betroffenen können selbst entscheiden, ob sie eine Diskriminierung nur melden oder rechtlich dagegen vorgehen wollen.
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft bietet sowohl für Betroffene als auch für Menschen, die als Außenstehende von solchen Diskriminierungen erfahren, die Möglichkeit, Vorfälle (anonym) über das Kontaktformular zu melden und/oder rechtliche Beratung einzuholen. Weiters bietet die GAW ein kostenfreies Schulungsangebot zur Prävention von Diskriminierung
[1] Nguyen, H. (2023). Das Ende der Unsichtbarkeit: Warum wir über anti-asiatischen Rassismus sprechen müssen. Ullstein, S.16.
[2] Suda, K., Mayer, S. J. & Nguyen, C. (2020). Antiasiatischer Rassismus in Deutschland. Aus Politik und Zeitgeschichte, 70, S. 39–44.
[3] Nguyen, H. (2023). Das Ende der Unsichtbarkeit: Warum wir über anti-asiatischen Rassismus sprechen müssen. Ullstein, S.16.
[4] Nguyen, H. (2023). Das Ende der Unsichtbarkeit: Warum wir über anti-asiatischen Rassismus sprechen müssen. Ullstein, S.17.
[5] Nguyen (2023), S.17.
[6] Suda, K., Mayer, S. J. & Nguyen, C. (2020). Antiasiatischer Rassismus in Deutschland. Aus Politik und Zeitgeschichte, 70, S. 39–44.
[7] Ehrich, C., rive, a. (2023). Broschüre Anti-Asiatischer Rassismus: Eine Einführung für die politische Bildungsarbeit. Korientation, S. 18.
[8] Ehrich, C., rive, a. (2023). Broschüre Anti-Asiatischer Rassismus: Eine Einführung für die politische Bildungsarbeit. Korientation, S. 18.
[9] Dayal, Smaran (2014): `Don’t be evil.´ Model minorities in colourblind ‘Schland, In: Heinrich Böll Stiftung (Hg.): Asian Germany – Asiatische Diaspora in Deutschland, S.137-146. https://heimatkunde.boell.de/de/2014/02/14/asian-germany-asiatische-diaspora-deutschland.
[10] BIPoC - kommt aus dem Englischen, wird aber auch im Deutschen benutzt und steht für Black, Indigenous, und People of Color – auf Deutsch Schwarze, Indigene und Personen of Color. Es geht nicht um rassistische Einteilungen von Hautfarben, sondern um gesellschaftliche Positionen, die durch soziale Konstruktionen entstehen. Diese strukturieren Gesellschaften und produzieren so Ausschlüsse. Unter dieser politischen Selbstbezeichnung BIPoC versammeln sich Menschen, die rassifiziert sind und bewusst entscheiden sich in rassistischen Verhältnissen zu positionieren. (Ehrich, C., rive, a. (2023). Broschüre Anti-Asiatischer Rassismus: Eine Einführung für die politische Bildungsarbeit. Korientation, S. 6)
[11] Ehrich, C., rive, a. (2023). Broschüre Anti-Asiatischer Rassismus: Eine Einführung für die politische Bildungsarbeit. Korientation, S. 18.
[12] Nguyen, H. (2023). Das Ende der Unsichtbarkeit: Warum wir über anti-asiatischen Rassismus sprechen müssen. Ullstein, S.102.
[13] Vgl. Ehrich, C., rive, a. (2023). Broschüre Anti-Asiatischer Rassismus: Eine Einführung für die politische Bildungsarbeit. Korientation, S. 21. Suda, K., Mayer, S. J. & Nguyen, C. (2020). Antiasiatischer Rassismus in Deutschland. Aus Politik und Zeitgeschichte, 70, S. 39–44.
[14] Yun, V. (2023, 29. September). Anti-asiatischer Rassismus: populäre Beispiele aus 250 Jahren westlicher Kulturgeschichte. mdw-Magazin. https://www.mdw.ac.at/magazin/index.php/2023/09/25/anti-asiatischer-rassismus/
[15] Nguyen, H. (2023). Das Ende der Unsichtbarkeit: Warum wir über anti-asiatischen Rassismus sprechen müssen. Ullstein, S.158.
[16] Nguyen, H. (2023). Das Ende der Unsichtbarkeit: Warum wir über anti-asiatischen Rassismus sprechen müssen. Ullstein, S.96f.
[17] Suda, K., Mayer, S. J. & Nguyen, C. (2020). Antiasiatischer Rassismus in Deutschland. Aus Politik und Zeitgeschichte, 70, S. 39–44.
[18] Suda, K., Mayer, S. J. & Nguyen, C. (2020). Antiasiatischer Rassismus in Deutschland. Aus Politik und Zeitgeschichte, 70, S. 39–44.
[21] Ehrich, C., rive, a. (2023). Broschüre Anti-Asiatischer Rassismus: Eine Einführung für die politische Bildungsarbeit. Korientation, S. 31.
[22] Ehrich, C., rive, a. (2023). Broschüre Anti-Asiatischer Rassismus: Eine Einführung für die politische Bildungsarbeit. Korientation, S. 31.
[23] Köhler, J., Suda, K. (2023). Antiasiatischer Rassismus in Zeiten der Corona-Pandemie. Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschun (DeZim) S. 1.
Zum Autor des Blogeintrags
Mag. Mark Wiesflecker studierte Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck und ist derzeit Verwaltungspraktikant in der Gleichbehandlungsanwaltschaft im Regionalbüro Tirol, Salzburg und Vorarlberg. In dieser Funktion ist er unter anderem in der Erstberatung tätig und unterstützt die Gleichbehandlungsanwält:innen bei ihrer juristischen Arbeit.