Wir verwenden technisch erforderliche Cookies zur Sitzungssteuerung. Erfahren Sie mehr. Durch Fortfahren auf unserer Website stimmen Sie dieser Verwendung zu.

Sexuelle Belästigung auch in der Corona-Pandemie

Ist sexuelle Belästigung in Zeiten von Lockdowns, angeordnetem Home-Office und verkleinerten Teams bei der Beratung der GAW überhaupt ein Thema?

Ja. Die Verlagerung des Arbeitsplatzes in den privaten Bereich und die Verkleinerung von Teams kann sexuelle Belästigung begünstigen. Die Sorge um den Arbeitsplatz – und das dadurch verstärkte Machtgefälle – macht es gleichzeitig schwieriger, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Daher erreichen uns auch im Lockdown viele Anfragen zu sexueller Belästigung – in manchen Regionalbüros sogar mehr als davor:

  • „Ich werde von meinem Vorgesetzten seit dem Lockdown regelmäßig angerufen, obwohl es dienstlich nicht notwendig wäre. Gestern wollte er wissen, ob ich eh noch keinen sexuellen Notstand hätte.“
  • „Mein Vorgesetzter meinte anzüglich, ich wisse ja, was ich zu tun hätte, damit ich nicht als Nächste gekündigt werde. “
  •  „Wir sind seit Beginn der Krise in kleinen Teams im Büro, mein Kollege nutzt es aus, dass ihn niemand beobachten kann und fasst mich immer wieder an bestimmten Stellen an.“
  • „Meine Kollegin meint, mein Hintern sei nicht mehr so knackig, seit die Fitnessstudios geschlossen haben.“
  • „Seit Beginn der Krise belästigt mich mein Vorgesetzter mit blöden Bemerkungen, nennt mich Schatz und hat mir auch schon auf den Oberschenkel gegriffen. Ich habe Angst, dass sich dieses Verhalten weiter steigert und ich in der jetzigen Situation leicht ersetzbar bin. Es gibt ja genug Arbeitslose.“

#metoo: Vorfälle richtig einordnen

Oft glauben Betroffene, dass rechtlich bekämpfbare sexuelle Belästigung nur dann vorliegt, wenn es sich um körperliche Übergriffe handelt. Das ist aber nicht so: auch sexistische Sprüche, anzügliche Kommentare oder etwa wiederholte Einladungen zum Abendessen, bei denen ein „Nein“ nicht akzeptiert wrid, können sexuelle Belästigung sein.

Für Belästiger:innen muss dabei erkennbar sein, dass ihr Verhalten unerwünscht ist. Wenn dem so ist, müssen Betroffene Belästigungen auch nicht ausdrücklich zurückweisen. Das werden sie in vielen Fällen – auf Grund der Hierarchie oder Gruppendynamik – nämlich nicht können, ohne Nachteile befürchten zu müssen.

Viele Betroffene spüren bei Vorfällen zwar ein Unwohlsein, ordnen das Geschehene aber nicht als sexuelle Belästigung ein. Das Buch von Sara Hassan, „Grauzonen gibt es nicht“, kann als Orientierungshilfe dienen und ist kostenlos online auf der Webseite des ÖGB verfügbar. Es erklärt, dass sexuelle Belästigung eine Form von Machtmissbrauch ist, die gewissen Mustern folgt - und enthält ein System zur Früherkennung dieser Muster.

Überbelastung und Angst um den Job: Betroffene wehren sich seltener

Erkennen Personen, dass sie sexuell belästigt wurden, suchen manche Hilfe und Unterstützung bei der GAW. Auch wenn dann tatsächlich eine rechtlich verbotene sexuelle Belästigung vorliegt, wollen derzeit weniger Betroffene, dagegen vorgehen.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Die Angst vor einem Jobverlust – als Reaktion auf eine Beschwerde wegen sexueller Belästigung – ist aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage derzeit deutlich größer. Die hohe Zahl an Arbeitssuchenden erschwert die Chance auf einen schnellen Jobwechsel, sodass mehr Übergriffe „ertragen“ werden, um einen Job zu behalten.

Einige Menschen geben an, aufgrund der psychischen Belastung durch die Corona-Pandemie keine emotionalen Ressourcen für eine Rechtsverfolgung zu haben. Spürbar ist auch die Mehrfachbelastung durch Kinderbetreuung: Häufig sind Beratungen nur per E-Mail möglich, da die Betroffenen aufgrund von Betreuungspflichten nicht ungestört mit uns telefonieren können. Dazu kommt die Sorge, dass ihnen ohne Zeug:innen Vorfälle von sexueller Belästigung nicht geglaubt werden.

Wie unterstützt die Gleichbehandlungsanwaltschaft?

Bei unserer Beratung geben wir eine rechtliche Einschätzung dazu ab, was passiert ist. Wir helfen, Vorfälle rechtlich einzuordnen. Vermuten wir einen Gesetzesverstoß, besprechen wir mit Betroffenen, welche Vorgangsweise am besten passt und welche rechtlichen Schritte sinnvoll sind. Alles wird vertraulich behandelt. Es entstehen keine Kosten. Danach entscheiden Betroffene, wie sie vorgehen möchten.

Vorfälle sexueller Belästigung können auch ohne die Einleitung weiterer Schritte bei uns gemeldet werden – z.B. mit einer kurzen E-Mail. So finden Vorfälle Eingang in unsere Statistik und helfen uns, aufzuzeigen, dass #metoo, nach wie vor aktuell ist.

Für Arbeitgeber:innen hat die GAW einen Leitfaden (PDF, 256 KB) erarbeitet, der ihnen helfen soll, gesetzeskonform Abhilfe zu leisten, wenn ihnen ein Fall sexueller Belästigung gemeldet wird.

Sexuelle Belästigung ist eine Form von Machtmissbrauch. Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, dass man am Arbeitsplatz davor geschützt ist.