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Therapie für den Täter: Prävention gegen sexuelle Belästigungen Fall des Monats Februar 2022

Vorfall und Beratung

Herr Y tritt eine Stelle als Projektmanager an und leitet ein kleines Team. Bald beginnt er, mehrere seiner Mitarbeiterinnen zu belästigen. Das Muster scheint immer gleich zu sein: Kurz nach dem Kennenlernen beginnt Herr Y, den Frauen unaufgefordert sexualisierte Nachrichten zu schicken und in Gesprächen zweideutige Bemerkungen zu machen. Es kommt zu unerwünschten Berührungen, scheinbar zufälligem Streifen beim Vorübergehen, Ergreifen der Hand unter dem Tisch und Ähnlichem. Die Betroffenen versuchen anfangs, den Anspielungen auszuweichen und die Gespräche in neutrale Richtungen zu lenken. Als dies nicht hilft, benennen einige Betroffene die Übergriffe als solche und weisen sie klar zurück. In einem Fall entschuldigt sich Herr Y und bittet um das Löschen seiner Nachrichten. Alle Betroffenen fertigen Screenshots von den belästigenden Nachrichten an.

In Gesprächen miteinander stellen die Betroffenen fest, dass sie keine Einzelfälle sind. Als eine sehr junge Frau neu eingestellt wird, beschließen sie, etwas zu unternehmen, um diese zu schützen. Nach Meldungen an die Personalabteilung wird das Dienstverhältnis mit Herrn Y einvernehmlich gelöst. Der Geschäftsführer teilt der Belegschaft mit, dass Herr Y seine Macht gegenüber mehreren Kolleginnen missbraucht habe und deshalb gehen musste.

Vier der Betroffenen nehmen Kontakt mit der Gleichbehandlungsanwaltschaft auf, um sich über ihre Rechte zu informieren. Diese interveniert daraufhin bei Herrn Y. Die Betroffenen stellen auch Kontakt zu einer fünften Frau her, die von Herrn Y an dessen vorherigem Arbeitsplatz belästigt worden war. Auch sie schließt sich der Intervention an. Das Ziel der Frauen ist die Prävention von weiteren Belästigungen in der Zukunft. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft empfiehlt Herrn Y daher, Schadenersatz zu leisten, sowie nachweislich eine Therapie bei einer Männerberatungsstelle zu machen. Herr Y nimmt den Vorschlag an, bezahlt den Schadenersatz und beginnt mit der Therapie. Die Betroffenen sichern vergleichsweise zu, nach Abschluss der Therapie von der Geltendmachung ihrer Ansprüche abzusehen.

Rechtliche Hintergründe

Was ist sexuelle Belästigung?

Sexuelle Belästigung in Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis ist eine Form von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und nach dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) verboten. Eine sexuelle Belästigung liegt vor, wenn ein würdeverletztendes Verhalten gesetzt wird, das der sexuellen Sphäre zuzuordnen ist, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt schafft (§ 6 GlBG). Die Erscheinungsformen sexueller Belästigung nach dem GlBG sind vielfältig. Sie reichen von anzüglichen Bemerkungen über das Aussehen, unerwünschten Einladungen mit eindeutiger Absicht, sexualisierten Nachrichten bis hin zu („zufälligen“) Körperberührungen, sexueller Nötigung und Vergewaltigung.

Die von den betroffenen Frauen glaubwürdig geschilderten Verhaltensweisen von Herrn Y sind allesamt als sexuelle Belästigungen zu werten. Durch diese regelmäßigen und wiederholten Belästigungshandlungen wurde das Arbeitsklima für sie negativ beeinflusst. Die Belästigung von arbeitsrechtlich unterstellten Personen beruht auf dem Missbrauch der Autorität als Vorgesetzter.

Therapieverpflichtung als Vergleichsinhalt

Das Gleichbehandlungsgesetz sieht bei Diskriminierung und Belästigung einen Anspruch auf Schadenersatz für die betroffene Person vor. Im Rahmen eines Vergleiches sind die Betroffenen jedoch frei, auch andere Maßnahmen zu fordern und zu vereinbaren. Zur Prävention von weiteren Diskriminierungen kann etwa der Besuch von Schulungen und Fortbildungen, oder wie im vorliegenden Fall, eine Therapie vereinbart werden. Therapie bei einer Männerberatungsstelle, die unter anderem auf die Prävention von Gewalt und Übergriffen spezialisiert ist, kann nachweislich zu einer Senkung der Wiederholungsgefahr führen.

Fazit

Sexuelle Belästigung betrifft alle Altersstufen und Gesellschaftsschichten und stellt die größte Fallgruppe in der Beratung der GAW dar. Im vorliegenden Fall haben entschlossene Frauen es geschafft, nicht nur ihre Arbeitssituation zu verbessern und ihr Recht durchzusetzen, sondern auch dafür gesorgt, dass der Belästiger sich mit seinem Verhalten in Form einer Therapie auseinandersetzt, womit die Wahrscheinlichkeit weiterer Übergriffe massiv sinkt.

Zudem trifft Arbeitgeber:innen eine Abhilfeverpflichtung, wenn sie von einer Belästigung wissen. Die GAW veranstaltet Schulungen und bietet Informationsmaterial (Leitfaden (PDF, 259 KB) an, um Unternehmen und sonstige Verantwortungsträger:innen darüber aufzuklären,

  • wo sexuelle Belästigung beginnt,
  • was Betroffene und Zeug:innen tun können und
  • wie Unternehmen ihre Verantwortung am besten wahrnehmen können.

Auch im Rahmen der GAW-Ausstellung „Jetzt im Recht! Wege zur Gleichbehandlung“ im Volkskundemuseum findet ein Workshop über die Abhilfeverpflichtung statt: #metoo – Abhilfe im Fall sexueller Belästigung. Der Workshop klärt über die Rechtslage auf und nimmt Abhilfemaßnahmen sowie Strategien zur Prävention in den Fokus.

Weiterführende Links: