Wir verwenden technisch erforderliche Cookies zur Sitzungssteuerung. Erfahren Sie mehr. Durch Fortfahren auf unserer Website stimmen Sie dieser Verwendung zu.

„Für dieses Geld würde ich keinen Finger krumm machen!“ – Journalistin bekämpft Equal Pay-Diskriminierung
Fall des Monats Februar 2023

Vorfall: Entgeltdiskriminierung aufgrund des Geschlechts

Eine gut ausgebildete Journalistin mit viel Berufserfahrung arbeitete mehrere Jahre als Redakteurin bei einer österreichischen Lokalzeitung. Ein offiziell einsehbares Gehaltsschema gab es in diesem Lokalmedium nicht und die Geschäftsführung legte Mitarbeiter:innen auch nachdrücklich nahe, ihre Gehälter “nicht an die große Glocke zu hängen“.

Trotzdem erfuhr die Journalistin in informellen Gesprächen, dass alle ihre männlichen Kollegen höhere Einstiegsgehälter bekommen hatten als sie. Ein Kollege in vergleichbarer Position meinte zu ihr, dass er für das Geld, das sie aktuell verdiene, „keinen Finger krumm machen würde.“ Die Redakteure hatten auch kurz nach Jobeinstieg deutlich schneller und auch größere Gehaltssprünge gemacht als sie. In mehreren Anläufen ein besseres Gehalt auszuhandeln, konfrontierte die Journalistin die Geschäftsführung mit ihren Einblicken aus den Gesprächen mit männlichen Kollegen. Die Geschäftsleitung ging auf ihre Forderungen nicht ein. Es gäbe kein Geld und ihr Verhalten sei unkollegial, weil sie Kollegen durch ihre Nachfragen unter Druck setzen würde.

Auch wurde die Journalistin bei der internen Nachbesetzung eines Leitungspostens nicht befördert. Der ausscheidende Chef des Ressorts hatte sie zwar als Nachfolgerin vorgeschlagen. Sie hatte außerdem wiederholt ihr Interesse und ihre Qualifikationen für diese Stelle bei der Geschäftsleitung eingebracht. Der Journalistin wurde aber auf mehrmalige Nachfrage gesagt, dass der Posten bis auf weiteres nicht besetzt werde. Dann teilte ihr die Geschäftsführung überraschend mit, dass schon seit langer Zeit eine andere Kollegin für diesen Posten fixiert sei.

Rechtliche Hintergründe

Entgeltdiskriminierung aufgrund des Geschlechts

Das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG), auf dessen Grundlage die Gleichbehandlungsanwaltschaft berät, ist ein wichtiges Mittel zur Bekämpfung des Gender Pay Gaps.

Laut dem GlBG liegt eine Diskriminierung vor, wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt. Dies gilt auch beim Entgelt (§ 3 Z 2 GlBG). Es gilt der Grundsatz gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit, der auch im EU-Recht verankert ist.

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes legt fest, dass Entgeltsysteme diskriminierungsfrei, transparent und nachvollziehbar sein müssen (EuGH Danfoss C-109/77, Enderby C-127/92). Außerdem dürfen Arbeitgeber:innen laut Obersten Gerichtshof Frauen nicht allein aufgrund des „Verhandlungsgeschicks“ weniger Gehalt bezahlen, als männlichen Kollegen in vergleichbaren Positionen (OGH 20.05.1998, 9 ObA 350/97d)

Beratungsstrategie der Gleichbehandlungsanwaltschaft: Auskunftsrechte nutzen

Die Journalistin löste ihr Arbeitsverhältnis und brachte nach einiger Zeit einen Antrag bei der Gleichbehandlungskommission ein. Diese sollte prüfen, ob eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Festsetzung des Entgelts und beim beruflichen Aufstieg vorliegt.

Der mehrmaligen Aufforderung der Gleichbehandlungsanwaltschaft und der Gleichbehandlungskommission, Daten zu Vergleichspersonen nachzureichen (Jahresentgelte und Lebensläufe), kam der Arbeitgeber nicht nach. Begründet wurde dies mit Datenschutz. Die Geschäftsleitung legte aber ein „Standardgehaltsschema“ der Lokalzeitung vor und argumentierte, dass die Gehaltsunterschiede zwischen Kolleg:innen auf „sachlich gerechtfertigte Kriterien“ wie z.B. Tätigkeit, Qualifikation und Erfahrung zurückzuführen seien. Eine Entgeltdiskriminierung aufgrund des Geschlechts stritt die Leitung vehement ab.

Bereits die Prüfung des vorgelegten Schemas durch die Gleichbehandlungsanwaltschaft ergab, dass überhaupt keine genauen Kriterien für die Gehaltssprünge festgelegt waren. Das Schema legte außerdem zwar eine Untergrenze, aber keine Obergrenze fest. Klar definierte Bandbreiten sind aber eine wichtige Eigenschaft für ein nachvollziehbares Gehaltsschema.

Vergleichspersonen sind ein wichtiges Element, um Diskriminierungen festzustellen. Daher war es wichtig, die mangelnde Kooperation des Arbeitgebers durch alternative Datenquellen auszugleichen. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft nutzte deswegen ihre Auskunftsrechte, um von der Sozialversicherung Daten zu im Unternehmen beschäftigten Vergleichspersonen anzufordern.

Die anonymisierten Daten zeigten, dass die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern bei dieser Lokalzeitung eklatant hoch sind. Es konnte nachgewiesen werden, dass Männer bei dieser Lokalzeitung grundsätzlich mit besseren Einstiegshältern als Frauen zu arbeiten beginnen. Außerdem sind aus den Daten die viel rascheren Gehaltssprünge von männlichen Mitarbeitern im Gegensatz zu Mitarbeiterinnen in vergleichbaren Tätigkeiten ersichtlich.

Auf Grundlage der Sozialversicherungsdaten und durch die hohe Vergleichbarkeit der Redakteur:innentätigkeiten konnte eine Diskriminierung zwischen den Geschlechtern nachgewiesen werden.

Weiterführende Ressourcen

Obwohl der Grundsatz gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit schon seit über 44 Jahren gesetzlich verankert ist, bleibt die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern in Österreich eklatant hoch.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft fordert daher dringend bessere gesetzliche Rahmenbedingungen für Lohntransparenz. Das Medienfactsheet der GAW zu dieser Forderung finden Sie hier.

In einem Blogartikel deckt die Gleichbehandlungsanwaltschaft die häufigsten Ausreden von Arbeitgeber:innen auf, mit denen diese Diskriminierung beim Gehalt zu rechtfertigen versuchen. Der Artikel erklärt, warum diese Ausreden nicht gelten.