Weniger Rechte für homosexuelle Menschen?!
Der Blogeintrag beschäftigt sich mit Schutzlücken im österreichischen Diskriminierungsschutz im Bezug auf sexuelle Orientierung und der Forderung nach einem Leveling-Up und volle Gleichbehandlung.
Wurden Sie schon einmal vom Bademeister in der Therme mit den Worten „Auseinander! Sofort damit aufhören!“ beim Küssen Ihres Partners gestört? Haben Sie schon einmal erlebt, dass Ihnen in einer Frühstückspension gesagt wird „Wir haben ein Zimmer frei, aber nicht für Sie!“? Hatten Sie auf Grund Ihrer sexuellen Orientierung schon einmal Probleme, eine Mietwohnung zu finden? Wurden Sie deshalb schon einmal von Handwerkern in Ihrer eigenen Wohnung beschimpft und bedroht? Wurden Sie auf Grund Ihrer sexuellen Orientierung schon einmal durch obszöne Gesten in einem Lokal belästigt? Oder wurde Ihnen deshalb schon einmal eine Taxifahrt verweigert?
Vielleicht gehen Sie davon aus, so etwas komme in Österreich im Jahr 2020 nicht mehr vor. Betroffene haben diese Beispiele in den Beratungen bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) erzählt. Sie stellen nur einen Bruchteil der Benachteiligungen auf Grund der sexuellen Orientierung dar. In einer groß angelegten Sora-Studie zu „Diskriminierungserfahrungen in Österreich“ gaben 73% der schwulen, lesbischen oder bisexuellen Befragten an, in den letzten drei Jahren Diskriminierung erlebt zu haben. Sie weisen gegenüber heterosexuellen Befragten eine mehr als drei Mal so hohe Wahrscheinlichkeit auf, in mindestens einem der vier untersuchten Lebensbereichen (Arbeit, Wohnen, Gesundheit, Bildung) eine Schlechterstellung zu erleben. Bereits 2013 veröffentlichte die Europäische Grundrechteagentur die Ergebnisse der in der EU durchgeführten LGBT-Erhebung, bei der ein Drittel der Befragten angab, in den letzten zwölf Monaten vor der Erhebung mindestens einmal aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität in einer Situation außerhalb des Arbeitsverhältnisses diskriminiert worden zu sein.
Vielleicht gehören Sie aber auch zu denjenigen, die derartige Herabwürdigungen selbst erleben mussten oder sind ein:e (Rechts)Berater:in, die sagen muss: In Österreich schützt das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) zwar bei Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt, jedoch nicht in weiteren Lebensbereichen.
Die Antidiskriminierungsrichtlinien der Europäischen Union, welche Österreich 2004 in nationales Recht umgesetzt hat, verbieten Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis. Eine umfassende europäische Richtlinie für ein Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Orientierung in weiteren Lebensbereichen lässt derzeit allerdings noch auf sich warten. Die neue EU-Kommission hat angekündigt, die Bemühungen um eine Richtlinie fortzusetzen.
Im November 2020 legte die Kommission außerdem die erste EU-Strategie zur Gleichstellung von LGBTIQ für den Zeitraum 2020-2025 vor. Diese betrifft – als einen von vier Pfeilern – auch die Bekämpfung von Diskriminierung.
Ein Großteil der europäischen Staaten hat bereits Gleichbehandlungsstellen – wie die GAW - eingerichtet, die für sexuelle Orientierung außerhalb der Arbeitswelt ein Mandat haben. Nur noch in vier Staaten fehlt ein solches Mandat völlig: Estland, Griechenland, Spanien und Österreich.
Für Österreich ist allerdings eine differenzierte Betrachtung erforderlich: Die Landes-Antidiskriminierungsgesetze der Bundesländer sehen für ihren Zuständigkeitsbereich beim Zugang zu Gütern und Dienstleitungen ein Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung vor. Nicht so jedoch das GlBG auf Bundesebene. Das heißt für Österreich nach wie vor: Einem schwulen Paar kann zum Beispiel die Anmietung einer Wohnung oder eines Hotelzimmers verweigert werden. Auch gegen homophobe verbale Beschimpfungen in einem Lokal kann nach dem GlBG nicht vorgegangen werden. Somit ist es in Österreich eine Frage der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung, ob ein Schutz vor Diskriminierung besteht oder nicht. Betroffene Personen stellt dies vor komplexe Fragen im Hinblick auf ihre (nicht vorhandenen) Rechte und die richtigen Ansprechstellen zur Durchsetzung.
Die GAW dokumentiert alle Fälle von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung außerhalb der Arbeitswelt, die ihr gemeldet werden. Somit werden homophobe Diskriminierungen aufgezeigt und die GAW kann in ihrem Bericht an den Nationalrat über ihre Tätigkeiten und Wahrnehmungen auf bestehende Schutzlücken im GlBG hinweisen.
In den letzten Jahren gab es immer wieder Gerichtsurteile und Gesetzesänderungen, die die Rechte von homosexuellen Menschen (besonders im Familienrecht) stärkten und denen von Heterosexuellen gleichstellten. Ein umfassender Schutz vor Diskriminierung wäre daher konsequent.
In ihrem aktuellen Bericht weist die GAW erneut darauf hin, dass für Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung benachteiligt werden, der volle Schutz gegen Diskriminierung in allen Bereichen des Gleichbehandlungsgesetzes (Levelling-up) gewährleistet sein sollte. Im Zusammenhang mit der LGBTIQ-Strategie kündigt die EU-Kommission bereits an, dass die Rolle der Gleichstellungsstellen im Kampf gegen Diskriminierung gestärkt werden soll.
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft fordert daher schon heute: Gleicher Schutz vor Diskriminierung für alle!