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Altersdiskriminierung: Schutz nach wie vor nur in der Arbeitswelt Die Gleichbehandlungsanwaltschaft fordert Levelling-up

Die zunehmende Überalterung der europäischen Bevölkerung spiegelt sich auch in Österreich wider. Das geht aus dem Bericht Fundamental Rights of Older People: Ensuring Access to Public Services in Digital Societies der Europäischen Agentur für Grundrechte (FRA) hervor. Im Jahr 2020 hat die Gruppe der 65- bis 74-Jährigen 19% der Bevölkerung in Österreich ausgemacht, wobei ein Anstieg auf 28% bis zum Jahr 2050 erwartet wird. Über die Altersgruppe der Personen im Alter beginnend mit 75 liegen hingegen jedoch keine Daten vor. Angesichts dessen ist es wichtig, auf die Bedürfnisse von älteren Menschen einzugehen und sich mit den sich ihnen stellenden Herausforderungen auseinanderzusetzen. Dabei ist vor allem der Schutz der Grundrechte dieser Bevölkerungsgruppe auf nationaler Ebene unerlässlich, da Menschen aufgrund ihres Alters immer wieder von Diskriminierungen betroffen sind. Das Merkmal Alter ist seit 2004 als Diskriminierungsgrund im Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) verankert, wobei die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) hierzu die dritthöchste Anzahl an Anfragen von Betroffenen für Beratung und Unterstützung erhält. 

Die Rolle von Alter im Bewerbungsprozess

Das Alter eines Menschen spielt in vielen Bereichen unserer Gesellschaft eine Rolle und kann eine potentiell unterschiedliche Behandlung hervorrufen. Im Arbeitsleben sind sowohl junge als auch ältere Menschen von Ungleichbehandlung betroffen. Oft haben sie mit Stereotypen und Vorurteilen zu kämpfen. Junge Menschen gelten oft als unerfahren, ältere Menschen als weniger belastbar. Das Alter eines Menschen kann ausschlaggebend für eine Zu- oder Absage für einen Job sein. Dies zeigt die SORA Studie Ungleichbehandlung von Älteren und Langzeitarbeitslosen bei Bewerbungen auf offene Stellen im Auftrag des AMS. Obwohl es in Österreich derzeit einen Fachkräftemangel gibt, konnte der im Juli und August 2023 durchgeführte Korrespondenztest eine Diskriminierung von älteren Personen und Langzeitarbeitslosen im Bewerbungsprozess aufzeigen, wobei diese zwei Merkmale oft miteinander einhergehen. Im Juni 2023 waren 32.099 Menschen seit mehr als 12 Monaten beim AMS vorgemerkt, wobei 57% davon 50 Jahre oder älter waren. Der Korrespondenztest der SORA Studie beruht auf dem Prinzip des sogenannten ,,Matched-Pair“. Dabei wurden je ausgewählter Stellenanzeige zwei fiktive Bewerbungen ausgesendet, die nahezu ident waren. Die Bewerbungen unterschieden sich immer nur in einem Merkmal: dem Alter oder der Dauer der Arbeitslosigkeit. Daneben gab es immer eine Kontrollbewerbung, die passend dazu ein junges Alter oder eine kurze Arbeitslosenphase aufwies. Das Ergebnis dieses Tests, welcher in 400 Unternehmen durchgeführt wurde, zeigt, dass 12% aller älteren Bewerber:innen zu keinem Bewerbungsgespräch eingeladen wurden, die jüngeren mit einer identen Bewerbung hingegen schon. Außerdem konnte festgestellt werden, dass in 10 Fällen die ältere Person erst dann eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch erhielt, nachdem die jüngere Person dem Unternehmen abgesagt hatte - und dies obwohl beide Bewerbungen in einem Abstand von nur wenigen Stunden versendet wurden. Insgesamt sinkt die Wahrscheinlichkeit auf eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch bei einer Person in einem höheren Alter auf 35% ab. Kommt zum hohen Alter auch der Faktor Langzeitarbeitslosigkeit hinzu, liegt die Wahrscheinlichkeit, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden, nur mehr bei 33%. 

Auch Herr T wendet sich an die GAW, weil er sich aufgrund seines Alters diskriminiert fühlt. Im Zuge einer Initiativbewerbung an die S-GmbH teilte der zuständige stellvertretende Geschäftsführer Herrn T mit, dass eine Anstellung nicht möglich sei. Seine Begründung: Da ein neues Team zusammengestellt werden würde, welches jedoch ausschließlich aus der Generation ,,X und Y“ bestehen solle, also aus Menschen der Jahrgänge 1960 bis 2000, wäre Herr T, geboren 1957, für den Posten ungeeignet. Die GAW brachte den Fall vor die Gleichbehandlungskommission (GBK), die auch eine Diskriminierung aufgrund des Alters bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses feststellte.
Fall des Monats September 2022

Diskriminierung von Frauen bei Erreichen des Pensionsantrittsalters

Das Alter ist jedoch nicht nur im Rahmen eines Bewerbungsprozesses häufig die Ursache für eine benachteiligende Behandlung. Vor allem Frauen, die in Bälde das Pensionsantrittsalter erreichen bzw. dieses bereits erreicht haben, werden in der Arbeitswelt immer wieder auf Grund ihres Alters diskriminiert. So nehmen Arbeitgeber:innen die Tatsache, dass Frauen bisher in Österreich mit einem Lebensalter von 60 Jahren das gesetzliche Pensionsantrittsalter erreicht haben, zum Anlass, deren Arbeitsverhältnisse einseitig zu beenden. Diese Vorgangsweise hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits im Jahr 2010 als verbotene unmittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts erkannt (zur Entscheidung). Dies deshalb, weil Männer und Frauen sich hinsichtlich der Bedingungen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der gleichen Situation befinden und das gesetzliche Pensionsantrittsalter von Männern mit einem Lebensalter von 65 Jahren festgelegt ist. Österreich wollte mit der Regelung eines unterschiedlichen Pensionsalters für Frauen und Männer ein System einrichten, das die gesellschaftliche, familiäre und ökonomische Benachteiligung der Frauen ausgleicht (zur Regierungsvorlage).  Bedauerlicherweise haben die letzten Jahrzehnte jedoch keine wesentliche Verbesserung der nach wie vor bestehenden gesellschaftlichen, familiären und ökonomischen Benachteiligung der Frauen gebracht. Ab dem Jahr 2024 wird das gesetzliche Pensionsalter nun bis zum Jahr 2033 jedes Jahr um 6 Monate erhöht und somit an jenes der Männer herangeführt, um den unionsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen.

Digitale Gesellschaft – es zeigt sich, dass Diskriminierungsschutz für ältere Personen fehlt

Auch die fortschreitende Digitalisierung kann zu einem Ausschluss besonders älterer Personen aus unterschiedlichen Lebensbereichen führen. Ältere Personen haben oft Probleme am digitalen Leben teilzunehmen, da sie häufig nicht über das notwendige Equipment wie Smartphone oder Computer mit Internetzugang verfügen, aber auch aufgrund der fehlenden persönlichen technischen Fähigkeiten. Ein Ziel des Programms der Europäischen Union für das digitale Jahrzehnt ist es, bis zum Jahr 2030 100% der wichtigsten öffentlichen Dienstleistungen online zur Verfügung zu stellen. Der Bericht der FRA zeigt dabei, dass nur 53% der 55-64-Jährigen und 35% der 65-74-Jährigen über grundlegende technische Fähigkeiten verfügen. Das Problem der zunehmenden Digitalisierung im Zusammenhang mit dem Alter wurde bereits in Zeiten der Corona-Pandemie deutlich. Die Registrierung zur COVID-19 Impfung erfolgte online, was für viele ältere Personen ein Hindernis darstellte - obwohl gerade diese Personengruppe im Zusammenhang mit Corona als besonders vulnerabel galt. Diese Thematik befindet sich allerdings außerhalb der Arbeitswelt, ein umfassender Diskriminierungsschutz beim Zugang zu und der Versorgungen mit Gütern und Dienstleistungen aufgrund des Alters fehlt noch im GlBG. Fälle gibt es aber genug:

Viele ältere Personen sind beim Zugang zu digitalen öffentlichen Dienstleistungen, mitunter beim Online-Banking oder beim Online-Shopping, auf die Unterstützung von jüngeren Familienmitgliedern angewiesen. Beispielsweise wandte sich der Betroffene Herr K an die Gleichbehandlungsanwaltschaft, da er sich aufgrund der ausschließlichen Möglichkeit des digitalen Parkens, dem sogenannten ,,Handyparken“, ausgeschlossen fühlte. Herr K ist 83 Jahre alt und verfügt über kein Smartphone, weshalb er sich nicht für das Handyparken registrieren konnte und damit auf die Hilfe seines Sohnes angewiesen war. Die GAW konnte Herrn K aufgrund der bestehenden Schutzlücken im GlBG jedoch keine Unterstützung bieten.

Teilweise müssen ältere Personen allein aufgrund ihres Alters Dienstleistungen, wie etwa den Abschluss einer Versicherung, teurer in Anspruch nehmen als jüngere Menschen, da Ihnen ein Aufschlag verrechnet wird. Beim Kauf einer Fahrkarte für den Zug sind ältere Personen oft auf den Schalter angewiesen, an dem man dasselbe Ticket nur teurer erwerben kann als beispielsweise beim Kauf per App. Dies wird von Betroffenen vor allem als Autonomieverlust wahrgenommen. Des Weiteren sind ältere Personen oft von Diskriminierungen im Bereich von Finanzdienstleistungen, mitunter bei der Vergabe von Krediten, betroffen.

Frau H ist 73 Jahre alt und steht immer noch im Berufsleben. Seit 30 Jahren hat sie eine Betriebsausfallsversicherung. Ihre Versicherung erklärt ihr jedoch, dass eine Verlängerung ihres Vertrages aufgrund ihres hohen Alters nicht mehr möglich sei. Frau H wendet sich mit ihrem Anliegen an die GAW, die ihr leider mitteilen musste, dass der Schutzbereich des GlBG das Merkmal Alter nicht beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen umfasst.

Im Rahmen der SORA Studie Diskriminierungserfahrungen in Österreich aus dem Jahr 2019, in Auftrag gegeben von der Arbeiterkammer Wien, wurden subjektive Diskriminierungserfahrungen erhoben. 14% aller Befragten im Alter von 50+ fühlten sich aufgrund ihres Alters diskriminiert, wobei hier nicht ein bestimmter Lebensbereich abgefragt wurde. Fast 25% aller an die Gleichbehandlungsanwaltschaft herangetretenen Anfragen aufgrund von Altersdiskriminierung betrafen Bereiche außerhalb der Arbeitswelt, wie beispielsweise den Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, den Sozialschutz, sonstige Vergünstigungen und Bildung.

Levelling-up dringend notwendig

Das GlBG schützt vor Diskriminierung aufgrund des Alters nur in der Arbeitswelt. Beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (inklusive Wohnraum), Bildung, Sozialschutz und soziale Vergünstigungen bestehen weiterhin Schutzlücken.

Die Ausweitung des Diskriminierungsschutzes aufgrund des Alters einer Person auf alle Lebensbereiche ist eine der wichtigsten und langjährigsten Forderungen der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Dieses ,,Levelling-up“ ist auf landesgesetzlicher Ebene bereits seit 2017 umgesetzt, wodurch ein weitreichenderer Schutz des Merkmals Alter in allen Lebensbereichen in den Landeskompetenzen, wie zum Beispiel bei Sportveranstaltungen, gewährleistet wird. Jedoch konnte diese wichtige Forderung bislang auf Bundesebene im GlBG nicht verankert werden. Diese unterschiedliche Regelungsweise erschwert den Betroffenen nicht nur den Zugang zum Recht, sondern sorgt auch für Unmut. Bisher fehlt es an einer verbindlichen EU-Richtlinie zur Umsetzung der dringend erforderlichen Ausweitung des Diskriminierungsschutzes auf diesem Gebiet.

Zuletzt aktualisiert am 7. Februar 2024.

Zur Autorin des Blogbeitrags

Mag.a Monika Iskandar ist derzeit Verwaltungspraktikantin in der Gleichbehandlungsanwaltschaft im Regionalbüro Kärnten. Sie unterstützt aktiv das hiesige Team und ist zudem eine der Ansprechpersonen vor Ort zum Thema Altersdiskriminierung.