Antiosteuropäischer Rassismus oder Antislawismus

Rassistische Vorurteile und Diskriminierungen gegenüber Menschen aus Osteuropa und slawisch-sprachigen Personen sind historisch stark verwurzelt und wirken bis heute fort. Dieser Blogbeitrag gibt einen Überblick über die Problematik und die gesellschaftlichen Debatten darüber, sowie über die rechtlichen Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren.

Was sind antiosteuropäischer Rassismus, Antislawismus und antislawischer Rassismus?

Antiosteuropäischer Rassismus umfasst Abwertungen des geografischen Raums Osteuropa, seiner Bewohner:innen und Menschen mit migrationsgeschichtlichem Bezug dorthin.[1] Dabei wird Ost- und Südosteuropa als „rückständig“ dargestellt und in einen Gegensatz zum „fortschrittlichen Westen“ gesetzt („Europe but not Europe“).[2] Die Bandbreite der Erscheinungsformen reicht von diskriminierenden „Witzen“ über restriktive Migrationsregelungen bis hin zu rassistischer Gewalt.[3] Der Begriff Antislawischer Rassismus hingegen bezieht sich auf den rassistischen Diskurs, der auf die Konstruktion von Slaw:innen als „Rasse“ zurückgeht.[4]

Ob antiosteuropäische oder antislawische Ressentiments mit dem Begriff Rassismus treffend beschrieben werden können, ist Gegenstand von Debatten im wissenschaftlichen und aktivistischen Kontext. Viele Erscheinungsformen von Rassismus[5] knüpfen an Stereotype und Abwertungen aufgrund der Haut- und Haarfarbe an. Stereotype und Diskriminierungen gegen weiße Osteuropäer:innen folgen oft anderen Mustern und Narrativen – und dennoch lassen sich auch Ähnlichkeiten und Zusammenhänge feststellen. Hier werden Abwertungen aufgrund von Sprache, Akzent, Religion oder Kultur vorgenommen.[6] Panagiotidis und Petersen argumentieren daher für die Verwendung des Begriffs Rassismus im Sinne „eine[r] Ideologie, eine[r] Struktur und ein[em] Prozess (…), durch den Menschengruppen aufgrund tatsächlicher oder zugeschriebener biologischer oder kultureller Merkmale in Wertigkeitshierarchien (hierarchies of worthiness) unterteilt werden.“[7]

Die Geschichte des Antislawismus

Antislawismus ist historisch tief verwurzelt. Bereits zu Zeiten der Aufklärung wurde Osteuropa im westlichen Denken als rückständig konzipiert.[8] Im 19. Jahrhundert verstärkte sich diese Abwertung zunehmend, was mit den Bestrebungen einherging, den geografischen Raum zu erobern und zu „zivilisieren“.[9]

Ab Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Slaw:innen nicht nur als kulturell, sondern auch als biologisch minderwertig konstruiert und das vermeintliche Kulturgefälle zwischen West und Ost („Kulturantislawismus“) durch biologische Unterschiede erklärt („Rassenantislawismus“). Es kam zur Rassifizierung von Slaw:innen.[10] Im Nationalsozialismus wurde an diese Ideologie angeknüpft. Das Bild von „slawischen Untermenschen“ wurde geschaffen, um brutale Unterdrückung und Genozid an slawischen Bevölkerungen zu rechtfertigen. Millionen von Osteuropäer:innen wurden Opfer von Zwangsarbeit, Vertreibung und Massenmord.[11]

Die Zeit nach Ende des Zweiten Weltkrieges ist in Hinblick auf Antislawismus wenig erforscht. Fest steht jedoch, dass rassifizierende Praktiken fortwirken und antiosteuropäischer Rassismus mit dem Ende der NS-Herrschaft nicht einfach verschwand.[12] Insbesondere in Zeiten des Kalten Krieges wurde die rassistisch motivierte Abwertung verstärkt, die bis heute wirkmächtig ist.[13]

Aktuelle Phänomene und Stand der Forschung

Antislawismus führt zu einer massiven beruflichen Dequalifizierung vieler Migrant:innen aus Osteuropa. Trotz hoher Qualifikationen finden viele von ihnen in Österreich nur geringer qualifizierte Arbeit. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 hat die Zahl von Anfeindungen gegenüber russischsprachigen Menschen zugenommen, die dabei häufig für den Krieg verantwortlich gemacht werden.[14] Das zeigt auch ein 2024 bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft gemeldeter Fall einer Russin auf, welche aufgrund ihrer Herkunft, mit Verweis auf den russischen Angriffskrieg, nicht eingestellt wurde.

Öffentliche Debatten über Antislawismus finden in Österreich jedoch kaum statt. Laut der 2022 in Deutschland erhobenen Studie des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors „Rassistische Realitäten“ erkannten weniger als die Hälfte der randomisiert ausgewählten Befragten rassistische Verhaltensweisen gegenüber Osteuropäer:innen eindeutig, während etwa anti-Schwarzer oder antimuslimischer Rassismus eher erkannt wurden.[15] Auch der von Reem Alabali-Radovan (Integrationsbeauftragte und Beauftragte für Antirassismus der deutschen Bundesregierung) Anfang 2023 vorgelegte Bericht lässt vor allem eines deutlich werden: Es gibt erheblichen Forschungsbedarf, da die Daten bislang nur marginal sind.[16] In Österreich fehlen vergleichbare Studien vollends, was umso mehr die Notwendigkeit unterstreicht, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Um dem geringen Informationsgrad entgegenzuwirken, ist es besonders wichtig, das kollektive Bewusstsein für Antislawismus zu schärfen und gezielt Maßnahmen zur Förderung der Anti-Diskriminierungsarbeit zu ergreifen.

Rechtliche Einordnung und Angebot der Gleichbehandlungsanwaltschaft

Antislawismus kann eine Diskriminierung oder Belästigung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit darstellen. Diese ist definiert durch eine Zuschreibung als „fremd“ oder „nicht zugehörig“ aufgrund von Herkunft, Kultur, Sprache, Hautfarbe, Sitten oder Religion. Der Diskriminierungsschutz nach dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) erstreckt sich auf die Arbeitswelt und den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, Wohnraum, Bildung und Sozialschutz.[17]

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft bietet Beratung und Unterstützung für Personen, die von antiosteuropäischer Diskriminierung betroffen sind. Das Angebot umfasst österreichweit kostenlose, unabhängige und vertrauliche Rechtsberatung. Wir besprechen gemeinsam mit den Betroffenen, welche (rechtlichen) Schritte möglich und sinnvoll sind. Bei Bedarf stellen wir kostenlos Dolmetscher:innen zur Verfügung.

Rassistisch motivierte Diskriminierungen verschwinden nicht von selbst. Vielmehr ist es eine gesellschaftliche Aufgabe, dagegen anzukämpfen. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft bietet sowohl für Betroffene als auch für Menschen, die als Außenstehende von solchen Diskriminierungen erfahren, die Möglichkeit, Vorfälle (anonym) über unser Kontaktformular zu melden. Weiters bieten wir ein kostenfreies Schulungsangebot zur Prävention von Diskriminierung.

[1] Frauenseiten.bremen (2023): Schefner: Was ist eigentlich… Antislawismus? https://frauenseiten.bremen.de/blog/was-ist-eigentlich-antislawismus/ (abgerufen am: 23.08.2024).

[2] Petersen (2022): Antiosteuropäischer und antislawischer Rassismus, in: Kiesche (Hrsg.): Jüdische (Un)sichbarkeiten. Verhandlungen von Antisemitismus und antislawischem Rassismus in der zweiten Generation jüdischer Kontingentflüchtlinge, Working Paper VII, S. 9.

[3] Mediendienst Integration (2023): Pürckhauer: Antiosteuropäischer und antislawischer Rassismus https://mediendienst-integration.de/artikel/antislawischer-und-antiosteuropaeischer-rassismus.html.(abgerufen am: 23.08.2024).

[4] Mediendienst Integration (2023): Pürckhauer: Antiosteuropäischer und antislawischer Rassismus https://mediendienst-integration.de/artikel/antislawischer-und-antiosteuropaeischer-rassismus.html. (abgerufen am: 23.08.2024).

[6] Ze.tt (2021): „Menschen können gleichzeitung Opfer und Täter sein“ https://www.zeit.de/zett/politik/202104/jannis-panagiotidis-rassismus-weisse-osteuropaeer-migration-geschichte(abgerufen am: 23.08.2024).

[7] Panagiotidis/Petersen (2024): Antiosteuropäischer Rassismus in Deutschland, Geschichte und Gegenwart, S.16.

[8] Petersen (2022): Antiosteuropäischer und antislawischer Rassismus, in: Kiesche (Hrsg.): Jüdische (Un)sichbarkeiten. Verhandlungen von Antisemitismus und antislawischem Rassismus in der zweiten Generation jüdischer Kontingentflüchtlinge, Working Paper VII, S. 9.

[9] Mediendienst Integration (2023): Pürckhauer: Antiosteuropäischer und antislawischer Rassismus https://mediendienst-integration.de/artikel/antislawischer-und-antiosteuropaeischer-rassismus.html.(abgerufen am: 23.08.2024).

[10] Panagiotidis/Petersen (2024): Antiosteuropäischer Rassismus in Deutschland, Geschichte und Gegenwart, S. 35.

[11] Panagiotidis/Petersen (2024): Antiosteuropäischer Rassismus in Deutschland, Geschichte und Gegenwart, S. 99, 108-109.

[12] Panagiotidis/Petersen (2024): Antiosteuropäischer Rassismus in Deutschland, Geschichte und Gegenwart, S. 12.

[13] Berliner Landeszentrale für politische Bildung (2022): #erkenneRassimus Teil 2: Was ist Antislawismus? https://www.berlin.de/politische-bildung/politikportal/blog/artikel.1257098.php. (abgerufen am: 23.08.2024).

[14] Petersen (2022): Antiosteuropäischer und antislawischer Rassismus, in: Kiesche (Hrsg.): Jüdische (Un)sichbarkeiten. Verhandlungen von Antisemitismus und antislawischem Rassismus in der zweiten Generation jüdischer Kontingentflüchtlinge, Working Paper VII. S.11.

[16] Mediendienst Integration (2023): Pürckhauer: Antiosteuropäischer und antislawischer Rassismus. https://mediendienst-integration.de/artikel/antislawischer-und-antiosteuropaeischer-rassismus.html. (abgerufen am: 23.08.2024).

Zum Autor des Blogeintrags

Mag.a Victoria Dorfer und Mag.a Anna-Hannah Martin, BA arbeiten zurzeit als Verwaltungspraktikantinnen in der Gleichbehandlungsanwaltschaft in den Regionalbüros Steiermark und Kärnten. Schon während des Studiums der Rechtswissenschaften beschäftigten sie sich mit Legal Gender Studies und Antidiskriminierungsrecht. Sie unterstützen die regionalen Teams in der juristischen (Erst-)Beratung und setzen sich eingehend mit dem Thema Rassismus auseinander.